Karfreitag, 20. April 1984

Nach seinem bedrückenden Vortrag wollte ich meinen „Privatlehrer“ gestern fragen, warum es so viele Menschen in der Zone gibt, die morgen (also heute) weniger an Jesus als an Hitlers Geburtstag denken.

Bevor „Blaschi“ darauf antwortet, bohrt er in einer Sache nach, die ich dem alten „Assi“ mal wieder nicht zugetraut hätte: Warum ich meine Reise ausgerechnet am katholischen Feiertag „Heilige Drei Könige“ und nicht an irgendeinem anderen Tag begonnen habe (siehe Freitag, 6. Januar).

Das ist eine wirklich gute Frage, weil eine vollständige Antwort darauf bislang keinen interessiert hat. Der Teufel steckt in einem entscheidenden Detail, das am Freitag vor 15 Wochen den finalen Ausschlag gab:

„Ganz einfach, weil meine Vorgesetzten mir ohne ordentliches Verfahren gekündigt haben“. Es spielte einfach keine Rolle mehr, wer aus welchem Grund wann was zu wem gesagt und wie gemeint hat.

Egal ob gerechtfertigt oder nicht – sie wollten mich trotz meiner guten Leistungen ein für alle mal loswerden und setzten mich mit einem Ultimatum unter Druck. Wenn ich bis 21:30 Uhr das Wohnheim nicht verlasse, würden sie mir den Lehrvertrag kündigen.

Das wollen wir doch mal sehen, dachte ich laut. Also riefen sie in meinem Beisein beim „LPG“-Vorsitzenden in Kemnitz an, der so tat, als sei die Kündigung längst beschlossene Sache.

Nicht, weil ich meinen Job in seiner „Genossenschaft“ schlecht gemacht, Arbeit verweigert oder einem Kollegen auf den Tisch gekackt hätte. Sondern weil ich mich in persönlichen Angelegenheiten unangepasst verhalten habe.

Sie drohten nicht nur mit fristloser Kündigung, sondern taten so, als sei sie längst passiert. Das war ein Zacken schärfer als exakt vor einem Jahr, als mich unser Heimleiter wegen streitbarer Aufsässigkeiten zum ersten Mal aus meiner Unterkunft warf (siehe Freitag, 13. April).

Diesmal im Fieber der Konfrontation fortissimo mortale – so wie es überlegene Betonköpfe mit aufmüpfigen Zeitgenossen vorzugsweise auf den letzten Metern am liebsten tun.

Vielleicht wäre ich zu Kreuze gekrochen, wenn wir Ursache und Wirkung unserer Auseinandersetzung in einem fairen Gespräch sauber aufgedröselt hätten. Darauf hatten sie kurz vor dem Wochenende jedoch keine Lust. Deshalb hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, aus der Not eine Flucht nach vorn zu machen.

„OK, jetzt zu Hitler“, kommt „Blaschi“ zum eigentlichen Thema, über das ich mit ihm sprechen wollte. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

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Matomo