Dienstag, 1. Mai 1984

„Ein Gutes hat es ja – keine Demo“, frohlocke ich vergnügt. „Du kennst Arthur Epperlein?“, muss „Assi Blaschi“ lachen. Denn um meine doppelte Anspielung besser zu verstehen, muss man die „Epper“-Karikaturen aus der „Freiheit“ kennen.

Wie zum Beispiel diese: Im Vordergrund eine kleine Insel. Auf ihr eine Palme und zwei schiffbrüchige Herren. Im Hintergrund ein sinkender Dampfer. „Ein Gutes hat es ja – keine Weiber“ sagt der eine sichtlich erleichtert auf den Untergang blickend. Seitwärts nähert sich ein Rettungsboot voller Damen.

Die Epperbücher und Epperleins einzigartiger Strich sind Legende. Außerdem seine halbseitigen Poster in der Wochenendbeilage „Blick“ mit herrlich süffisanten Details in Dutzenden kleinen Szenen aus der realen Welt zu einer komplexen Momentaufnahme stilisiert, die man wie einen Zeichentrickfilm stundenlang belächeln kann.

So wie er und Johannes Eduard Hegenbarth möchte ich auch zeichnen können. Das Mosaik von Hannes Hegen durfte in keinem Kinderzimmer fehlen. Seine Digedags standen viele Jahre für Abenteuer, Freundschaft und Weltoffenheit, die Fernweh wecken und mit Humor stillen konnten.

Darüber hinaus gibt es – neben Hurvínek und Spejbl sowie Lolek und Bolek– mindestens einen weiteren Helden, über den ich herzhaft lachen und staunen kann: Adolar.

Sein „Heißer Draht ins Jenseits“ und „Adolars phantastische Abenteuer“ stehen wie Sommerferien an der Ostsee (siehe Freitag, 13. Januar), Wintersport im Riesengebirge (siehe Mittwoch, 21. März), „Alfons Zitterbacke“, „Aber Vati“, „Professor Flimmrich“ und die „Stülpner-Legende“ für längst vergangene Zeiten, in denen ich das kindliche Gefühl hatte, im glücklichsten Land der Welt zu leben.

Bis aus jedem Furz aus meinem glücklichen Arsch ein immer ernsteres Politikum wurde und zunehmende Zweifel an Marx, Engels und Lenin, Aktueller Kamera und „Sudel-EdesSchwarzem Kanal auf strafbewehrte Verurteilung mit Option auf Zersetzung stießen (siehe Dienstag, 17. April). 

Deshalb bin ich hier und kann mich durchaus freuen, heute, am „Internationalen Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“ nicht wie Millionen freier Unfreier da draußen auf die Straße und mit peinlichen Losungen oder lächerlichen Wimpeln an marionettenhaft winkenden Bonzen auf „Ehrentribünen“ vorbeimarschieren zu müssen.

Dann lieber Kreuzworträtsel mit „Assi Blaschi“ in einer gemütlichen U-Haft als Winke-Winke-Demo mit volkseigenen Narren in der realen Zone (siehe Ostermontag, 23. April). 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

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Matomo