Donnerstag, 19. Januar 1984

Es riecht nach Schweiß und saurer Luft. Eine herbe Mischung aus Papiersäcken, Bakelit und öligem Metall. Beim Hofgang an der frischen Luft wird es mir immer ein wenig schwindelig.

Nach drei Tagen Stecker montieren, Stifte fummeln und Schräubchen drehen, habe ich den Dreh endlich raus. Heute werde ich meine Tüte ohne die Jungs vollbekommen.

„Immer noch keine Post“, grummele ich. „Das dauert“, sagen sie. Wegen der Zensur. Zuerst liest unser Oberschließer, was ich geschrieben habe. Danach ein Ermittler oder Staatsanwalt. Und dann, wegen des Ausreiseantrags, vermutlich die Stasi. Da kommen locker ein paar Tage bis Wochen zusammen, bis ein Brief endlich in die Post geht. Andersrum genauso.

Was sie mir wegen des Ausreiseantrags antun können, will ich wissen. Im Grunde nichts Schlimmes. Sie werden mir einreden, dass es zwecklos ist und sich niemand darum scheren wird. Oder sie locken mich mit leeren Versprechungen zu widerrufen. Wenns blöd läuft, überlassen sie es einem Spitzel, mich umzudrehen.

Schlagen werden sie mich wohl kaum. Das überlassen sie im krassesten Fall einem Schläger, mit dem sie mich irgendwann in eine Zelle sperren. Den erkenne ich, wenn es soweit ist. Dann hilft nur Schwanzvergleich und aushalten, was passiert. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 … 

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Matomo