In Gedanken gratuliere ich Marion zum Geburtstag, die heute 18 wird. Muss ja keiner wissen, dass ich sie mag (siehe Dienstag, 28. Februar).
Genau wie Manfred Krug, mit dem alles anfing. Und Armin Müller-Stahl. Und Nina Hagen. Und wie die vielen Künstler heißen, die Farbe bekannt haben.
Manfred Krug hätte wie mein leiblicher Vater ein guter Vater sein können (siehe Freitag, 2. März). Dann wäre vielleicht alles anders gekommen.
Stattdessen hat er sich für Wolf Biermann entschieden und mit höchster Glaubwürdigkeit „Unsrer Heimat“ den Rücken gekehrt.
Ausgerechnet der widerspenstige Kommunist Wolf Biermann – unser „Robert Zimmerman“ unter Christa Wolfs geteiltem Himmel – hat mit seiner filmreifen Ausbürgerung etwas ausgelöst, was die Bonzen noch bereuen werden.
Nachdem sie ihn im November 1976 nicht mehr nach Hause gelassen haben, hagelte es öffentliche Proteste mit erheblichen Folgen. Es folgte jener Sommer, in dem Kathrin und ich uns über den Weg gelaufen sind (siehe Freitag, 13. Januar).
Auch wenn wir 1977 keine Ahnung hatten, was gerade wirklich passiert – eins war klar: Wenn so beliebte Künstler, glaubwürdige Schauspieler und anständige Normalos scharenweise das Land verlassen, dann ist was faul im Staate Dänemark.
Es soll Leute geben, die gerne gehört hätten, was Biermann überhaupt singt, so verboten waren seine Lieder. Mit seiner Ausbürgerung entstand eine Szene, die den Anfang vom Ende der DDR beschwört. Darauf zu warten, dauert mir jedoch zu lange.
Plötzlich geht die Klappe auf. Der kleine Obermeister Schäfer schaut in die Zelle. Ein Brief für mich. Diesmal nicht die Handschrift meiner Mutter. Sondern von „Vati“. Damit habe ich nicht gerechnet:
„Lieber Thomas!“, schreibt, nein schrieb er am 13. März. Das war der Tag nach meiner Verhandlung – vor 14 Tagen! Solange haben die Zensoren gebraucht, um seinen Text zu durchleuchten. Das könnte eine Falle sein.
Beim Lesen kommen mir die Tränen. Wenn dieser Mann (siehe Dienstag, 14. Februar) doch nur einmal im Leben so mit mir gesprochen hätte, wie er zum ersten Mal in meinem Leben mir schreibt. Als wäre es das normalste von der Welt, wofür ich sitze.
Er habe „Mama“ – und „die Verwandtschaft“ – besucht, die mich „alle grüßen lassen“. Das ist zwar kein Beweis dafür, dass er Wuppertal tatsächlich informiert hat (siehe Montag, 20. Februar). Für mich jedoch ein deutlicher Hinweis, wie ein harmloser Satz im Knast nur sein kann.
Womit meine Chancen auf 60 Prozent gestiegen sind (siehe Mittwoch, 7. März). Jetzt kommt es auf Karin an (siehe Donnerstag, 8. März).
Im Kopfkino höre ich Nina Hagens „African Reggae“: „Es riecht so gut / Pass auf, dass Du nicht geschnappt wirst / Die sind nämlich hinter Dir her / Du alter Kiffer“. Danach versuche ich mich an Biermanns „Ballade vom preußischen Ikarus“ zu erinnern. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …