Power User in der Warteschleife

Laternenanzünder, Nagelschmiede, Seifensieder, Bremser und Kinopianisten nennt Mehmet Toprak als Beispiele ausgestorbener Berufe. Momentan gehören auch Stadionsprecher, Platzanweiser und Messehostessen dazu, zumindest zu den gefährdeten Berufen.

Umschulen und weiterbilden heißt in solchen Fällen die Devise – nur dass sie jetzt „Upskilling“ heißt und nicht ganz dasselbe meint. Der Beitrag (Seite 17) erklärt den Wandel weg von fixen Berufsbildern hin zu, ja wie nennt man das? – Skillsets. Das ist tatsächlich etwas anderes, so wie momentan vieles anders gekommen ist, als wir uns das gedacht hatten.

Augenfälliges Beispiel ist, auf diesen Seiten wie draußen in der Welt jenseits der Homeoffices, das, was nicht da ist: Den Beitrag über die TWENTY2X hatten wir eingeplant, aber kurz vor Heftschluss dann doch zurückgezogen. Zwar ist der Cebit-Nachfolger in Hannover Stand einen Tag vor Drucklegung immer noch als Präsenzveranstaltung für den 15. bis 17. Juni 2021 geplant, aber wir haben uns einfach nicht getraut. Wir lassen uns gerne überraschen und freuen uns, wenn Live-Events tatsächlich stattfinden können.

Realistische Skepsis gehört jedoch zu den Dingen, die wir in den vergangenen zwölf Monaten gelernt haben – natürlich mit einem Plan B: Rechtzeitig hatten wir, als die Stahlpreise durch die Decke gingen, Kai Tubbesing ausgeschickt. Er sollte sich in der Branche umsehen, wie sich dort die Digitalisierung speziell auf die Lieferketten auswirkt. Seinen Report finden Sie jetzt auf Seite 12.

Die Vorschau auf die TWENTY2X lesen Sie stattdessen online auf mittelstandswiki.de, und zwar ein einem Modus, den man offen als Open Access bezeichnen kann. Diese digitale Publikationsform hat sich in Zeiten geschlossener Bibliotheken für Wissenschaft und Forschung als absolut wichtig erwiesen, und die Lage ist insgesamt gar nicht so schlecht, nachdem das Projekt DEAL entsprechende Verträge mit John Wiley & Sons und mit Springer Nature abschließen konnte; Reed Elsevier wiederum ist ein Fall für sich. Vom Stand der Dinge berichtet Roland Freist in seinem Beitrag auf Seite 10.

Das vielleicht größte Digitalisierungsprojekt Deutschlands läuft immer noch unter dem Radar der breiteren Öffentlichkeit: Das 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, knapp 600 Behördenleistungen über Verwaltungsportale auch als digitale Services verfügbar zu machen. Deadline ist Ende 2022. „Kann das klappen?“, fragt David Schahinian (Seite 8). Der Blick in die Kommunen lässt eher eine Fristverlängerung ahnen. Aus der Wirtschaft ist zu hören, dass die OZG-Umsetzung stärker auf die Unternehmen als „Power User“ ausgerichtet sein könnte.

Um Power User, wenn auch in ganz anderem Sinne, geht es in den zwei verbleibenden Reports. Im Eröffnungsbeitrag berichtet Friedrich List (Seite 4) aus Hamburg, Bremen und der gesamten Nordhälfte Deutschlands von den aktuellen Wasserstoffstrategien. Der Energieträger hat sich klammheimlich zur regionalen Zukunftshoffnung gemausert, im besten Fall beziehen die Elektrolyseprojekte den benötigten Strom direkt von den Windrädern vor Ort. Infrastrukturell von Bedeutung wird jetzt sein, das Energiewirtschaftsgesetz an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Die ganz anderen Power User sind nicht zuletzt die Beschäftigten von morgen. Denn Hightech kann unter dem Stichwort „Human Augmentation“ Menschen mittlerweile Fähigkeiten verleihen, die weit über die natürlichen Kräfte hinausgehen (Seite 15). Diese Skills gibt es einfach zum Nachrüsten. Bis dahin ist Stadionsprechern, Platzanweisern, Messehostessen und vielen weiteren Jobs nur ein Upskilling auf Engelsgeduld und Drahtseilnerven zu raten.

Quelle: IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor 1/2021 in c’t 11/21

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Matomo