„Diesseits der Mauer“ von Katja Hoyer braucht eine erweiterte Auflage ⭐️⭐️⭐️⭐️☆

Emotional kann ich Rezensionen gut verstehen, die der deutschen Übersetzung des englischen Originals von Katja Hoyer weniger als 3 Sterne geben. Rational gelesen sehe ich das anders.

✅ Obwohl und gerade weil ich selbst aus eben diesem Land unter widrigen Umständen „emigriert“ bin und keinerlei Verständnis für ostalgische Verklärung habe, sind unglückliche Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche kein Grund für mich, dieses Buch gröber abzuwerten als es verdient hat.

✅ Für die meisten Menschen aus der westlichen Welt mit bestenfalls rudimentären Ost-Kenntnissen dürfte das englische Original eine wissenswerte Zusammenfassung sein, wie es in diesem befremdlichen Land im Großen und Ganzen tatsächlich zuging.

⛔️ Ja, es gibt missverständliche Sätze, geschmackliche Nuancen und unzureichende Beispiele, die zu falschen Rückschlüssen führen können.

⛔️ Aber nein, nur weil die Autorin beim Fall der Mauer ein Kind und ihre Eltern dem implodierenden Staat mehr zugetan waren als andere, soll sie kein Recht haben, einen diskussionswürdigen Bestseller darüber zu schreiben?

⛔️ Das ist so abwegig, wie den gesamten Staatsapparat auf ein paar böse alte weiße Männer mit Hut und den Rest der Republik auf stille Helden in ständiger Opposition reduzieren zu wollen.

✅ Das ganze System war sehr viel komplizierter als in einer verdaulichen Lektüre zu 100 Prozent politisch korrekt beschrieben werden kann.

✅ Wer es genauer wissen will, muss eben noch tiefer graben und weitere Bücher lesen, von denen es leider zu wenige im englischsprachigen Raum gibt, die es wert wären ins Deutsche übersetzt zu werden.

✅ Beyond the Wall – Diesseits der Mauer von Katja Hoyer ist ein guter Anfang. Während ich dem englischen Original fünf Sterne geben würde, kann ich der deutschen Übersetzung leider nur vier geben.

⛔️ Sie nimmt in zu vielen Passagen zu wenig Rücksicht auf die kleinen aber feinen Unterschiede in der Wahrnehmung grober Tatsachen aus der Perspektive von zig Tausend ostdeutschen Andersdenkenden, die vom politischen System desillusioniert, eingeschüchtert, bedroht, asozialisiert, verfolgt, schikaniert, zersetzt, eingesperrt, verkauft oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Fazit: Das ist sehr viel schwer verdaulicher Stoff für wenigstens eine erweiterte Auflage oder einen zweiten Band sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache, den ich genauso gerne lesen würde wie den ersten, der nach einer Fortsetzung schreit.

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Matomo