Viel oder wenig? 9 Milliarden Euro investiert die Bundesregierung mit ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie in die Erforschung von Brennstoffzellen, um „Deutschland zum weltweit führenden Ausrüster für moderne Wasserstofftechnologien zu machen“. In den Zeiten der Krisenrettungspakete geht der Maßstab etwas verloren.
Mit 9 Milliarden Euro beteiligt sich der Bund auch an der Lufthansa, für die Digitalisierung der Schulen gibt es 5 Milliarden. Wirecard verlor innerhalb von drei Tagen rund 11 Millarden Euro an Wert, das entspricht dem Gesamtfördervolumen des Bundesbreitbandprogramms – von diesem sind aber noch locker 10 Milliarden übrig, weil die Kommunen über die Antragsverfahren den Kopf schütteln.
Der Dieselskandal dürfte die deutsche Autoindustrie noch ein paar Milliarden mehr gekostet haben, vom guten Ruf, den sie als „weltweit führend“ einst genoss, ganz abgesehen. Wie weit die Autobauer bei der Elektromobilität wirklich sind, mag man daran ermessen, dass sich für Elon Musk eine TeslaFabrik in Deutschland offenbar lohnt. Wasserstoff wäre jetzt der zweite Versuch.
In jedem Fall werden H2-Brennstoffzellen keine schnelle Lösung bringen. Das zeigt der Report von Friedrich List, der sich in erster Linie auf die Wasserstoffstrategien von BMW und Daimler konzentriert (Seite 20). Die Wasserstoffroadmap, die BadenWürttemberg derzeit erarbeitet, hat sich von Roland Berger das Potenzial skizzieren lassen. Die Prognose: Es steckt schon eine Menge drin, aber erst ab 2030, der Planungshorizont liegt beim Jahr 2050. Um diese Zeit werden die ersten Absolventen, die jetzt in die neuen Green-Energy-Studiengänge starten, bald in Rente gehen – dass sie die Zeit bis dahin nach Kräften nutzen, ist aufs Innigste zu wünschen.
Eine Auswahl der Universitätsabschlüsse in Nachhaltigkeit zwischen Kaiserslautern und Erfurt, München und Wiesbaden stellt Mehmet Toprak in seinem Übersichtsbeitrag auf Seite 8 vor. Aber vielleicht springt diese Forschung ja auch direkt als Spinoff auf den Markt. Wie schnell dann alles gehen kann, zeigt die Zusammenstellung auf Seite 24. Risklayer aus Karlsruhe etwa ist gerade drei Jahre alt, aber auf seinem Gebiet „weltweit führend“ und durch die Pandemie fast schon weltekannt. Das trifft übrigens auch auf eine ganze Reihe von mittelständischen Unternehmen zu, die es verstanden haben, über lange Jahre hinweg ihre Nischen zu verteidigen und auszubauen (Seite 12).
Interessant ist bei den jungen Ausgründungen der Anteil von Startups mit Schwerpunkt Life Sciences, ob Airyx (Heidelberg), Computomics (Tübingen) oder BioGate (ErlangenNürnberg). Neben künstlicher Intelligenz und all den anderen Dingen, in denen Deutschland „weltweit führend“ werden will, übersehen wir am Ende, dass BioTech, Chemie und Pharma bereits auf dem besten Weg dorthin sind. „Health heißt das Motto“ (Seite 4) ist der Branchenreport überschrieben, in dem es unter anderem um den Digital Hub 5-HT Chemistry & Health in Ludwigshafen geht – und um neue Player wie die Münchner Cat Production, Gründungsjahr 2014. Dieser Markt wächst gigantisch, und viele Patente laufen aus.
Es gibt übrigens einen Bereich, in dem Deutschland wirklich weltweit führend ist. Wir tun aber alles, um das nach Kräften schlechtzureden. Die Rede ist vom Datenschutz. Man bedenke, dass das deutsche Bundesdatenschutzgesetz Vorbild für die EU-DSGVO war. Nirgendwo waren die notwendigen Änderungen so gering wie hierzulande. Der IT-Sicherheitscluster in Regensburg, von dem David Schahinian berichtet (Seite 16), hat dazu ein Vorgehensmodell parat, mit dem auch mittlere Unternehmen ein Informationssicherheitmanagement aufsetzen können. Handbuch und Katalog kosten 179 Euro Schutzgebühr. Nicht viel, finde ich.
Quelle: IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor 1/2020 in c’t 24/20