Schwer zu sagen, was für die Politik schwieriger ist: wirksamer Klimaschutz oder YouTube. Zwischen Fridays for Future und Rezo haben sich erhebliche Verständnismängel auf beiden Gebieten gezeigt. Die RZ-Branche immerhin hat begriffen, dass das Videostreaming der FFF-Generation deutlich energieeffizientere Datacenter braucht. Allein die RZ in Deutschland hatten 2017 einen Stromverbrauch von 13,2 Milliarden kWh, was dem Jahresbedarf von ganz Berlin entspricht.
Wie eine gründliche Nachhaltigkeitsbetrachtung aussehen könnte, setzt Peter Marwan im Schlussbeitrag dieses Heftes auseinander (Seite 24). Einsparpotenzial besteht vor allem bei der Kühlung und der Abwärmenutzung. Ein vielversprechendes ReUseHeat-Projekt läuft derzeit in Braunschweig. Eine strategische Übersicht über die derzeit verfügbaren Effizienzmaßnahmen gibt Perry Hayes in seinem Beitrag auf Seite 8. Er kommt zu dem Schluss
„Unsere Rechenzentren müssen der Umwelt nicht schaden, wenn wir heute die richtigen Maßnahmen ergreifen.“
Interessant argumentiert Sascha Petry; er hebt einen oft vernachlässigten Aspekt von RZ-Nachhaltigkeit hervor: Nichts ohne Not ausmustern! Third Party Maintenance (Seite 23) kann nach Ablauf der Herstellergewährleistung die professionelle IT-Wartung übernehmen.
Doris Piepenbrink hat sich unterdessen den Stromverbrauch im Whitespace von der technischen Seite vorgenommen. Sie stellt in ihrem Beitrag (Seite 10) neue modulare USV, Hybrid-Transfer-Switches und Mehrzweck-High-Density-PDUs vor. Dass solche Lösungen ihre Zustands- und Messdaten ans Monitoring bzw. DCIM senden, versteht sich mittlerweile fast von selbst.
Zum Thema Stromversorgung und -verteilung gehört auch der Bericht von Ariane Rüdiger (Seite 14). Sie zeigt, was möglich ist, wenn Virtualisierung und intelligentes Power Management zusammenspielen: Zum Beispiel lässt sich ein RZ als Microgrid konzipieren, als „eine Gruppe von Stromquellen und -senken, die mit dem öffentlichen Stromnetz synchronisiert sind, aber bei Bedarf auch allein arbeiten können“.
Ein Fokus liegt dabei auf den Notstromreserven. Intelligente Software könnte „bei Angebotsengpässen im Netz, eine entsprechend günstige Bedarfslage im eigenen RZ vorausgesetzt, die kostenpflichtige Belieferung der öffentlichen Netzinfrastruktur aus den RZ-Batterien auslösen. Etwa dann, wenn es in Zukunft ökonomisch günstig ist, Strom ins Netz zu speisen“. Lithium-Ionen- Akkus könnten dabei viel zur Flexibilität beitragen; in Gestalt von ausgemusterten Akkus aus E-Fahrzeugen dürften die Stromspeicher bald massenhaft zur Verfügung stehen.
Am geschicktesten lanciert hat dieses Thema bislang das US-Start-up VPS (Virtual Power Systems), das seine ICE-Plattform (Intelligent Control of Energy) unter dem Schlagwort Software-defined Power bewirbt und sich damit auf die Modernisierungswelle der übrigen Software-defined Sachen wirft (Storage, Networks etc.). Software-defined ist aber noch mehr, das wird klar, wenn wir uns als Anwender selbst an den Ohren nehmen, nämlich ein wesentlicher Anteil an der ganzen Misere. Im Zeitalter der Digitalisierung ist unser CO2-Ausstoß softwaredefiniert.
Quelle: Rechenzentren und Infrastruktur II/2019 in iX 11/19