Einbahnstraße in die Cloud

Wenn die jüngsten IDC-Zahlen zum deutschen Rechenzentrumsmarkt (Seite 4) Anlass zur Zuversicht geben, dann liegt das derzeit an der europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

Sie treibt den Datacentern die Kunden zu, die lieber ein RZ in Reichweite haben als drakonische Strafen zu riskieren. Und das trotz der heftigen Strompreise hierzulande, die neben den trägen Genehmigungsverfahren als ärgstes Markthemmnis der Branche genannt werden. Was aktuelle Kühltechnologien (Seite 23) in diesem Punkt einsparen, geht bald für die nächste Anlage drauf, die durch die immer höhere Leistungsdichte in den Racks erforderlich wird. Und noch ein Faktor spielt bei der Standortrechnung eine wichtige Rolle: das Internet of Things, vor allem mit der Sorte Sensoren und Anwendungen, die extrem niedrige Latenzen erfordern. Dafür braucht es 5G, darum geschieht die Edge-Datenverarbeitung direkt im Feld (Seite 21).

Ein zweiter Themenschwerpunkt dieses Hefts betrifft die sogenannte Plattformökonomie, die mittlerweile auch die Colocation-RZ erfasst hat (Seite 25). Das Ergebnis hat Axel Oppermann einmal „Multifunktionshybridintegrationsplattform as a Service“ genannt. Sein Beitrag in diesem Heft (Seite 18) geht der Frage nach, wie in Hybrid-Cloud-Konzepten die Grenze zwischen den Ressourcen on premises und der entfernten Cloud neu gezogen wird. Das könnte stillschweigend mit den Workloads geschehen, die man derzeit unter dem Stichwort Portabilität verschiebt, in die Cloud – und wieder zurück. Angeblich. Aber stimmt das? Was einmal in der Cloud gelandet ist, wird nicht von selbst wieder zurückkehren. Dem Gesetz der digitalen Massenanziehung folgend, schluckt sie als ein Schwarzes Loch jede Anwendung, die sich nähert. Umso sorgfältiger sollten Anwenderunternehmen derzeit ihre Digitalisierungsstrategie formulieren – und dann auch verfolgen.

Portabilität bedeutet außerdem, dass die Cloud auf die Installationen vor Ort ausgreift: Die Hardware, auf der die Anwendungen im eigenen Rechenzentrum des Unternehmens laufen, ist immer öfter dedizierte Hardware – eben weil die Private- Cloud- und die Public-Cloud-Umgebung im besten Fall schön identisch sein sollen. Jüngstes Beispiel: AWS Outposts. Dass Portabilität oft nur noch um den „Preis einer mehr oder minder sklavischen Bindung an den jeweiligen Cloud-Anbieter“ zu haben ist, wie es Ariane Rüdiger formuliert, ist den IT-Verantwortlichen aber wohl bewusst. Den Zwiespalt haben wir auf einer Pro-und-Contra-Doppelseite gegenübergestellt: Zum einen argumentiert Sebastian Mainzer, dass die Investition in eigene Hardware einen direkten Widerspruch zum Flexibilitätsprinzip Cloud darstellt (Seite 12); zum anderen führt Sebastian Nölting am Beispiel Storage ins Feld, dass die Appliances keineswegs mitwachsen, sondern die Kunden auf weitere Bundles desselben Anbieters einschwören (Seite 13). Sein pragmatischer Vorschlag lautet daher: Software-defined Storage in Kombination mit zweckgenau konfigurierter Standard-x86- Hardware. Die Stromkosten sind unterm Strich dieselben.

Quelle: Rechenzentren und Infrastruktur 1/2019 in ix 4/19

Matomo