Diese Geister, die wir riefen

Zugegeben – als ich vor über 20 Jahren für eine der ersten Zeitschriftenbeilagen zum Thema Digitale Kommunikation begeistert schrieb, habe ich nicht geahnt, worauf wir uns tatsächlich einlassen. Das wurde mir auf dem ersten IT-Rechtstag bewusst, der vorige Woche in Berlin stattfand. Datenschützer und Juristen diskutierten unter anderem rechtliche Komplikationen, die uns Maschinen bereiten, die wir vernetzen, damit wir alle besser, schneller und effizienter miteinander (?) kommunizieren können als je zuvor. Als Moderator einer Podiumsdiskussion stellte ich am Ende eine einfache Frage, die und deren Antwort ich Ihnen am Ende dieses Beitrags verraten möchte.

Dass 2013 laut Incapsula bereits 61,5 Prozent des Internet-Datenverkehrs auf Robots zurückzuführen waren, dürfte kaum jemanden erstaunen. Das Web spricht in immer größerem Ausmaß mit sich selbst. Würde nicht in ebenso gesteigertem Maße Video durchs Netz gehen, fiele der humane Anteil wohl noch einmal deutlich geringer aus.

In der Tat ist der Mensch für den massenhaften Hochgeschwindigkeitsumgang mit digitalen Daten denkbar schlecht ausgelegt. Und welche Rolle er im heranbrausenden Internet of Everything spielen wird, bleibt, gelinde gesagt, spannend. In jedem Fall muss ein mobiles Netz, das Verkehrsmittel und bewegte Sensoren versorgt, künftig sehr viel leistungsstärker sein als das aktuelle 3G/4G- LTE. Von der Arbeit am 5G-Mobilfunk, der ab 2020 mit 10 GBit durch die Luft gehen will, berichtet Harald B. Karcher ab Seite 16. Das ist allerdings erst noch Zukunftsmusik.

In der Gegenwart geht es für viele Unternehmen oft praktisch darum, endlich den letzten analogen Telefonanschluss abzuklemmen. Weil die POTS-Dienste im Einzelfall aber extrem hartnäckig sind, muss man bei der Umstellung von ISDN-Anlagen auf IP-Kommunikation sehr behutsam vorgehen. Genau damit befasst sich unsere Titelgeschichte zu Heftbeginn.

Johann Deutinger zeigt ab Seite 6, dass es bei der Telefonie-Migration ins Next Generation Network mitunter sinnvoll ist, die BPX auch für Altfälle offen zu halten. Und noch etwas gilt es in vielen Fällen nachzuholen: die Verschlüsselung von Voice over IP. Am Beispiel einer Asterisk-Snom-Kombination erklärt daher Dominik Mauritz im Anschluss, wie man SIPS und SRTP standardmäßig aktiviert.

Das dritte Mal beschäftigt sich dieses Heft mit dem Thema Sicherheit, wenn es um die Anbindung verstreuter Standorte geht. Tobias Frielingsdorf rät in solchen Fällen zur Netzbündelung per Multichannel VPN. Seine Argumente – geringere Ausfallwahrscheinlichkeit von der Fallback-Logik her und gesteigerte Transportsicherheit durch gestückelte (und verschlüsselte) Übertragung – legt er ab Seite 12 dar.

Der andere Heftschwerpunkt liegt auf dem Thema Wireless. Denn durch das rasante Mobile-Wachstum stoßen die bestehenden Funknetzinstallationen immer öfter an ihre Grenzen. Und wieder einmal soll es ein neuer Standard richten: IEEE 802.11ac soll bis zu 2,6 GBit/s schaffen und sich im 5-GHz-Frequenzband deutlich weniger von Interferenzen beirren lassen. Ab Seite 20 erklärt Christoph Becker, welche Vorteile ein AC-WLAN sonst noch ausspielen könnte.

Zugleich war Harald B. Karcher wieder im Wi-Fi-Feldtest unterwegs. Einmal spielte er den Xirrus Wi-Fi Inspector auf seinen Laptop, um zu untersuchen, was das kostenlose Tool kann und wie sich ältere und neueste Funknetzwerke damit noch verbessern lassen; seinen Testbericht finden Sie ab Seite 22. Ein andermal packte er die Koffer und begutachtete die komplexe Access-Point-Verteilung in einigen großen Hotels der Luxusklasse, vom Pionier in München, dem klassischen Vier Jahreszeiten, bis zum hochmodernen Emirates Palace Abu Dhabi, in dem das Herrscherhaus bereits nach AC-Standard funkversorgt wird.

Kommen wir zu der eingangs erwähnten „Berliner Frage“: Wer der anwesenden Experten glaubt noch daran, dass wir Menschen die juristischen Folgen – also eine funktionierende Gesetzgebung mit seriösen Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen bei gleichzeitig realistisch praktizierbarem Daten- und Verbraucherschutz – im Griff haben und behalten werden? Drei zögerliche Hände gingen nach oben. Gegenprobe: Wer von Ihnen denkt, dass wir die Kontrolle verloren haben und weiter verlieren werden? Bei dreißig Händen habe ich aufgehört zu zählen.

Quelle: Kommunikation und Netze 1/2014 in iX 6/2014)

Matomo