Am 23. Dezember 2013 bin ich im „Administrationsbereich“ auf meiner öffentlichen Facebook-Seite MittelstandsWiki über einen Hinweis von Facebook gestolpert. Für nur 4 Euro pro Tag könnte ich die Reichweite um bis zu 5 Klicks pro Tag erhöhen. Das klang fair, seriös und legal. Also draufgeklickt. Und tatsächlich jeden Tag 3, 5, 7 und manchmal sogar 9 „Gefällt mir“ hinzugewonnen. Für 20 Euro pro Woche und „zwischen den Jahren“ gar nicht mal so schlecht.
Was mich ein klein wenig irritierte, war, dass jede/r dritte bis zweite neue Leser/in einen ausländischen Namen hatte und einen vorsichtig ausgedrückt ausgesprochen unbedarften Eindruck machte, obwohl ich die gewünschte Zielgruppe für meine Facebook-Werbung auf den deutschsprachigen Raum und ab 18 Jahren aufwärts eingeschränkt hatte.
Silvester entschieden, das Experiment bis Ende Januar laufen zu lassen, um messbare Auswirkungen auf die betreffende Website in einem üblicherweise starken Traffic-Monat zu erforschen. Daraus wurde fast Mitte Februar, weil ich schwer mit dringenderen Arbeiten beschäftigt war.
Bis mir am 11. Februar das Youtube-Video von Derek Muller alias Veritasum auf der Website von t3n — privat geteilt von Andreas Winterer via Michael Paul, Self Publishing — in die Hände fiel und mich gongschlagmäßig daran erinnerte, das Projekt endlich auszuwerten. Das Ergebnis: Auf den ersten Blick ist die „Gesamtreichweite“ von MittelstandsWiki via Facebook in der Tat ansehnlich gestiegen (siehe Grafik). 470 Leser stammen laut Nutzerstatistik aus Deutschland, 23 aus Österreich und 8 aus der Schweiz. 46 verteilen sich auf 24 einzelne Länder, darunter 6 auf USA. Wie sich der fehlende Rest zu 653 gesamt aufteilt, ist unklar.
Die gute Nachricht: Die Fake-Problematik, die Veritasium in seinem Video völlig zurecht anprangert, scheint auf meinen Test deutlich weniger zuzutreffen als auf sein Experiment im englischsprachigen Raum. Ein fader Beigeschmack bleibt jedoch, weil einige „Fans“ — gefühlte 10 Prozent — durchaus verdächtige Namen und Profile haben. Bleibt die Frage, ob es bei Facebook-Kampagnen im deutschsprachigen Raum zu solch grotesken Fake-Wellen kommen kann, wie bei weltweiten Kampagnen (siehe Video).
Gravierender ist ein weiteres Problem, das Veritasium in seinem Video auf den Punkt bringt: Was tragen die vielen über eine Facebook-Kampagne hinzugewonnenen Leser tatsächlich an konkreten Rückmeldungen oder gar zum Website-Traffic bei? Bis auf ein paar „Gefällt mir“-Klicks mehr ist so gut wie nichts Messbares passiert. Ein Blick in Google Analytics sorgt für maximale Ernüchterung: Während im Zeitraum vom 16.12.12 bis 11.02.13 — also im Vorvorjahr — 438 Besucher über Facebook im MittelstandsWiki gelandet sind, waren es vom 16.12.13 bis 11.02.14 nur 404. Das entspricht -7,76 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum sind Besucher von StumpleUpon kommend von 124 auf 974 (+685,48%) gestiegen. Der Vollständig halber: Gutefrage.net spielt mit 94 vs. 86 (-8,51) eine größere Rolle als Google+ mit 26 zu 75 (+188,46%) und Twitter mit 75 zu 72 (-4%). Zum gestiegenen IVW-Traffic von 191.400 Visits auf 205.551 (+7,4%) im selben Zeitraum hat die Facebook-Werbung definitiv nichts beigetragen.
Endgültiges KO-Kritierum war eine weitere Zahl, die mir überhaupt nicht gefiel: Das Alter der meisten neuen Fans soll laut Facebook 13 bis 17 Jahre betragen. Kein Problem mit Kindern und Jugendlichen, die sich tatsächlich für das interessieren, was wir publizieren. Nur: Entweder funktioniert die Eingrenzung des Alters bei der Zielgruppenwahl nicht — schließlich sind die meisten meiner Freunde, denen MittelstandsWiki gefällt deutlich jenseits der 40 — oder die Statistik ist falsch. Das erinnert mich verdammt an den ADAC. Deshalb habe ich das Experiment gestoppt. Ob und wann ich es wiederholen werde, hängt davon ab, was die nächsten Social-Media-„Innovationen“ realwirtschaftlich zu bieten haben.