Zugegeben, ich bin kein Freund von Twitter. Ehrlich gesagt halte ich diesen Dienst für überflüssig. Seine besorgniserregende Thematisierung in den Medien und die unwiederbringliche Lebenszeit, die so viele kluge Menschen mit Twitter vergeuden, lassen mich ernsthaft zweifeln, womit wir uns künftig noch alles beschäftigen müssen. Weil ich jedoch mein Geld als Publizist verdiene, muss auch ich so oft wie nötig und so sparsam wie möglich twittern. Alle paar Wochen räume ich dazu meine Accounts auf. Drei davon sind beruflich und zwei privat.
Die gute Nachricht zuerst: Mein wichtigster Account bringt tatsächlich die meisten Verfolger. Fünf Menschen aus Fleisch und Blut produzieren im MittelstandsWiki jeden Werktag bis zu 25 redaktionelle Texte. Anfangs haben wir sie von Hand gezwitschert. Inzwischen erledigt Twitterfeed diesen Job für uns.
Beim direkten Vergleich unseres einzigen englischsprachigen Accounts mit den vier deutschsprachigen ist mir aufgefallen, dass viele Profile unserer Leser vergleichbar sind. Nicht nur beruflich, sondern auch sprachlich. Im Wesentlichen lesen überwiegend publizistisch, werblich oder wirtschaftlich interessierte Deutsche die MittelstandNews, während es bei just 4 business meist Ausländer mit weltoffenen oder kommerziellen Interessen sind.
Betrachtet man die internationalen Leser genauer, fällt auf, dass englisch Twitternde häufig viele Tausend mehr an Lesern haben als deutsche. Anfangs führte ich das ausschließlich auf ihren sprachlichen Vorteil zurück. Inzwischen beobachte ich, dass die Hemmschwelle, anderen Twitterern zu folgen, bei Ausländern im Allgemeinen und bei Amerikanern im Besonderen auffallend niedrig ist. Mit gemeinen Worten: Sie verfolgen jeden und alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Der Effekt ist klar: Anfänger und gutgläubige Twitterer verfolgen aus Dankbarkeit zurück. Und dann gibt es da noch die Hardcore-Follower. Sie versprechen krasses Verfolgerwachstum, wenn man ihnen folgt. Einer davon ist Twitter Traffic Machine. Nachdem mir zum wiederholten Male einer seiner Jünger auf die Nerven gegangen ist, wollte ich es genauer wissen.
Ich klickte auf seinen Link und wurde in meiner Ahnung sofort bestätigt. Der verkürzte URL wurde nicht gleich aufgelöst, sondern erneut umgeleitet. Dann landete ich auf der Website von Twitter Traffic Machine. Ein Video zeigt zwei joviale Kerle, die darüber plaudern, wie die Anzahl von Verfolgern in Twitter innerhalb kürzester Zeit exorbitant steigerbar und auch noch Geld damit zu verdienen ist. Unter den Kommentatoren sah ich ein paar Gesichter, die ich bereits von Twitter kannte, und die der Sache ein Quantum Seriosität verliehen.
Grobe Recherchen via Google ergaben nicht wirklich Böses auf den vorderen Plätzen, was darauf hindeutet, dass die Twitter Traffic-Maschinisten ihren Job zumindest hinsichtlich Suchmaschinenoptimierung wirklich gut machen. Jetzt wollte ich wissen, was das kostet. 23,53 Euro inklusive Steuern. Für das Geld habe ich schon wirklich schlechte Bücher gekauft. Weil mit Paypal zahlbar und als Recherchekosten von der Steuer absetzbar, wollte ich es darauf ankommen lassen.
Falls die Jungs von Twitter Traffic Machine Bauernfänger sind, haben sie keine Kreditkarten oder Kontodaten von mir. Viel kann also nicht passieren. Nachdem der Bezahlvorgang via Paypal erledigt war, landete ich auf einer durchaus ordentlichen Website mit konkreten Instruktionen. Außerdem erhielt ich einen Link zu einem mehrseitigen PDF mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung in Englisch. Bei der Lektüre fiel auf, dass die erforderliche Vorgehensweise recht komplex und logisch ist. Für offenkundige Risiken, die das System von Twitter Traffic Machine mit sich bringen könnte, scheint es brauchbare Gegenmaßnahmen zu geben. Das sind die wesentlichen Schritte:
- Video One: Setting up your profile
…- Video Two: Setting up Tweetlater.com
…- Video Three: Setting up Twollo.com for Automatic Following of Target People
…- Video Four: Content Factory Automation
…- Video Five: Finding People to Engage
…- Video Six: Affiliate System Setup
…
You are done!
Jeder Schritt besteht jeweils aus bis zu fünf weiteren Zwischenschritten. Dabei ist auch von Google Alerts die Rede, was der perfekt formulierten Anleitung einen Hauch Genialität verleiht. Bis zum fünften Schritt könnte man der Sache durchaus folgen, wenn man an einer künstlichen Steigerung seiner Leserschaft interessiert ist. Das haben renommierte Verlage wie zum Beispiel die Stuttgarter Motorpresse mit IVW-geprüften Auflagen auch gemacht. Bis der Schwindel aufflog. Wen der daraus resultierende Image- und Geschäftsverlust nicht kratzt, kann seinen Twitter-Account automatisiert pimpen lassen. Vielen Amerikanern scheint das recht zu sein. Mir nicht.
Mutmaßlich kriminell wird es bei der Vergoldung des Geschäftsmodells von Twitter Traffic Machine im sechsten Schritt. Die Prozedur beschreibt ein cleveres Partnerprogramm, das laut einem Google-Ergebnis mit dem geschickten Titel Do NOT buy Twitter Traffic Machine – Twitter Traffic Machine Review der eigentliche Vorteil von Twitter Traffic Machine sei. Die vermeintliche Kritik entpuppt sich als geschickte Würdigung der angeblichen Gelddruckmaschine. Egal, wie man die Lobhudeleien über das automatisierte Profitieren mit Twitter Traffic Machine von vermeintlich zufriedenen Kunden beurteilt – für mich liest sich das wie Kettenbriefe vor 30 Jahren. Nur dass ich damals 13 Jahre jung war und wirklich daran geglaubt hatte. In Deutschland ist so etwas aus gutem Grund verboten.
Mein persönliches Fazit
Finger weg von Twitter Traffic Machine. Ein wichtiges Indiz, dass dieses System auf Dauer nicht i.O. sein kann, ist die E-Mail des Urhebers, die man als Teilnahmebestätigung erhält:
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Bill Crosby
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http://Twitter.BillCrosby.comTwitter Traffic Machine, 435 Pennsylvania Ave Suite 131, Glen Ellyn, IL 60137, United States
Der Link in der Signatur zum Twitter-Account verweist auf eine gesperrte Seite. Da es sich um eine umleitbare Adresse handelt, kann sich jederzeit ein neuer Twitter-Account dahinter verbergen, so wie es bei Anbietern und angeblich zufriedenen Kunden von fragwürdigen Dienstleistungen eben üblich ist. Anschließend erhält man diese E-Mail:
Hello Thomas Jannot,
Thank you for purchasing Twitter Traffic Machine – The Automated Growth & Money Making System. .
Your receipt number is: ***
You can view the Twitter Traffic Machine – The Automated Growth & Money Making System. for the
next 7 days, but DON’T WORRY, you have
unlimited use of the product
and can watch the videos as many
times as you like. If you want to
watch them again after 7 days,
please just email us with your
order number, 1. We do
this just to protect the product.Your personal viewing link is:
http://www.twittertrafficmachine.com/dlg/download.php?***Thank you for your support,
Best wishes,
The Twitter Traffic Machine – The Automated Growth & Money Making System. Team!(Your sales IP address is: ***)
Den personal viewing link habe ich nicht angeklickt, weil mein Bedarf an weiteren Videos gedeckt ist. Anschließend erhält man einen Receipt for your ClickBank Order #*** vom ClickBank Customer Service für den Vendor WIT Enterprises mit der E-Mail-Adresse support@TwitterTrafficMachine.com. Interessant wäre vielleicht herauszufinden, was passiert, wenn man vom Kauf zurücktreten möchte. Aber das ist ein anderes Thema.
P.S. Mit *** gekennzeichnete Textstellen sind vom Autor dieses Beitrags unkenntlich gemacht.