Zwischen den Jahren ist eine gute Zeit, Bilanz zu ziehen. Das habe ich im MittelstandsBlog getan. Was dort nicht geschrieben steht, sind die Zahlen hinter den Zahlen. Diejenigen, welche schlaflose Nächte und zuweilen Zweifel am Sinn von selbstständiger Arbeit bereiten.
Das Finanzamt und gesetzlich verordnete Instanzen wie zum Beispiel die IHK haben keinen Ärger gemacht. Nur einmal wollte ein Finanzbeamter schriftlich wissen, warum einmal mehr zurückzuerstattende Vorsteuern aufgelaufen waren als sonst. Unerträglich waren lediglich die bedrohlichen Schreiben und Fangfragen der Künstlersozialkasse, die mehrere Tausend Euro (geplante) Kosten und in Summe ca. 1,5 (ungeplante) Manntage Arbeit verursacht haben. Alle anderen Institutionen – selbst die GEZ – hielten ihre Hände in eher vornehmer Zurückhaltung auf. Schließlich ist eine Unternehmensgründung ein zartes Pflänzchen, das zu gießen ist, damit es nicht eingeht, bevor es überhaupt wachsen und viele Hände füttern kann – eine Tatsache, von der die Gesetzgebung hinter der KSK offensichtlich noch nie etwas gehört hat.
283 Eingangsrechnungen für Honorare, Gebühren und Abgaben habe ich beglichen, denen 47 Ausgangsrechnungen gegenüber stehen. Hinzu kamen meine eigenen Personalkosten und Sozialversicherungsbeiträge (private Vorsorge wie monatlich mehrere Hundert Euro an das Presseversorgungswerk nicht mitgerechnet). Entsprechend hoch sind die (geplanten) Verluste. Ohne Beteiligungskapital wäre das Unternehmen trotz steter Auftragslage und überdurchschnittlich pünktlich zahlender Kunden nach etwa vier Monaten pleite gewesen. Wesentlicher Grund waren hohe Anlaufkosten für hochwertige Inhalte, ohne die kein Wachstum möglich ist.
Rund 60 Stunden betrug meine wöchentliche Arbeitszeit, von denen 60 Prozent auf die ständige Pflege der Software von fünf virtuellen Webservern entfielen. Dazu zählten in erster Linie Suchmaschinenoptimierungen, Sicherheits-Updates, Script- und Template-Korrekturen sowie eine filigrane Kampagnensteuerung. Zum Schreiben von redaktionellen Beiträgen, meiner eigentlichen Berufung, bin ich nicht gekommen. Das haben professionelle Autoren getan, was zweifelhafte Künstlersozialabgaben zur Folge hatte. Den Rest meiner Arbeitszeit konnte ich der Kundenpflege, Kostenrechnung und dem Projektmanagement widmen. Urlaub hatte ich bis auf wenige „Brückentage“ keinen. Meine Freizeit verbrachte ich mit Weiterbildung im Selbststudium oder mit einer Bahncard 50 in einem ICE auf Geschäftsreisen aus dem Fenster starrend über die Zukunft grübelnd. Einen Firmenwagen habe ich mir aus Kostengründen verkniffen.
Mindestens drei automatisierten Einbruchsversuchen pro Woche hatten meine Webserver zu widerstehen. Der Umzug auf einen gemeinsamen Server nahm sechs lange Wochenenden in Anspruch, bevor sämtliche Softwareaktualisierungen reibungslos harmonierten. Umzugsversuche während der regulären Arbeitszeit kamen nicht infrage. Komplikationen im Detail hätten die Besucherzahlen einbrechen lassen, die an Werktagen drei- bis viermal höher liegen als an Wochenenden. Die meisten Probleme bereiteten neue Sicherheitsmechanismen unter der Oberfläche, die zu verketteten Komplikationen führten.
29.111 Spam-Kommentare mit korrupten Links, unseriöser Werbung und inhaltslosen Äußerungen waren zu löschen. Hinzu wären bis zu 400 unerwünschte E-Mails pro Tag gekommen, die von meinem Mailserver mit einer so genannten Weißen Liste abgewiesen wurden. Der Lohn für diese Arbeit waren nur zwei mehrstündige Serverausfälle, von denen die wenigsten Leser überhaupt etwas mitbekamen. Mehr Sorgen bereiteten aus den Nähten platzende Open-Source-Programme, Extensions und Plug-Ins, deren Update-Intervalle und Fehlerquoten denen von kommerzieller Software in nichts mehr nachstehen. Alltägliche Pannen wie unzureichende VoIP-Verbindungen, unerwünschte Telefonanrufe von obskuren Call-Centern oder wiederholte Anfragen von Studenten, die aufwändige Recherchen für ihre Diplomarbeiten an mich delegieren wollten, waren mit einem gesunden Schuss Sarkasmus leichter zu verschmerzen. Ganz normale Tage mit vielen kleinen unspektakulären Arbeiten und eine Handvoll kreative Stunden (Vorsicht, KSK!) waren auch dabei.
Fazit: Eine GmbH mit einem höheren Ziel als nur der persönlichen Existenzsicherung wegen zu gründen, ist ohne destruktive Begleiterscheinungen unmöglich. Wem es gelingt, daraus einen Nutzen zu ziehen und beispielsweise den gefühlten Zeitverlust, der sich um einen unmessbaren Faktor X beschleunigt, als ständige Fortbildung zu betrachten, hat am Jahresende beste Chancen, weniger Furcht vor dem nächsten zu haben. Zwar habe ich unterm Strich meine ein Jahr zuvor gesteckten Ziele nahezu vollständig erreicht. Aber die nächste Krise kommt bestimmt ;-)