Wenn Sie mit verschiedenen Anwendungen arbeiten, ergeht es Ihnen bestimmt ähnlich: Immer mal wieder verschwende ich meine Zeit mit dem Suchen einer Funktion, die ich schließlich unerwartet in irgendeinem anderen Menü finde.
Konkrete Beispiele sind Word 5.5 und Works 2.0 – beides hervorragende Programme rnit einer auf den ersten Blick einheitlichen Oberfläche. Sie bestehen zum Teil sogar aus den gleichen Programmodulen wie zum Beispiel Bildschirm- oder Druckertreiber, die untereinander austauschbar sind.
Das nenne ich Modularität vom Feinsten, die mir Kompatibilität suggeriert. Doch der Hersteller Microsoft, mit brauchbaren Standards seit jeher ein Markenzeichen in der Softwareszene, hält sich gar nicht so sehr an seine eigenen Richtlinien. So befindet sich in Word 5.5 unter anderem das Menü zur Seitenformatierung unter der Option Format/Seitenränder. In Works 2.0 steckt es hingegen im Menü Drucken/Papierformat.
Dieser zunächst recht unscheinbaren Ungereimtheit geht eine wesentliche Umstrukturierung der SAA-Oberläche voraus. Welches Programm aus welchen Gründen aus der Reihe tanzt, ist mir als Anwender egal – es behindert nur meine Arbeit.
Das Ganze läßt sich sogar noch auf die Spitze treiben. Versuchen Sie mal in Works 2.0 einen zwei- oder gar dreispaltigen Etikettendruck. Solange Sie bei der Formatierung mit dem für uns Europäer gewohnten Zentimetermaß arbeiten, werden Sie Ihren Drucker zum Teulel wünschen, weil nur Zeilensalat herauskommt. Erst wenn Sie auf das amerikanische Zoll umschalten, kommen Sie weiter. Rundungsfehler? Das entschuldigt gar nichts.
Ein anderes Beispiel ist der Ventura Publisher, dessen Professional-Version für GEM ich für ein nahezu perfektes Programm halte. Die Windows-Version bietet dagegen einige Tücken, deren Urheber, ob Ventura oder Windows, sich nicht genau identifizieren läßt. Eine winzige Macke gehört jedoch eindeutig dem Ventura Publisher. Es gibt kein voreingestelltes A5-Format. Statt dessen sämtliche US-Größen, mit denen ich in Europa so gut wie nichts anfangen kann.
Natürlich kann man ein A4-Blatt querstellen. Doch sind dann wichtige Optionen wie zum Beispiel die automatische Seitennumerierung oder die Indexfunktion unbrauchbar, weil der Ventura die in A5-Hälften geteilte A4-Vorlage als eine physikalische Seite behandelt und an der Praxis vorbei rechnet.
Ganz andere Allüren hat Prisma Office, eine ansonsten recht gute Textverarbeitung für Windows: Sie bietet mitten im Dateimenü die Optionen Betriebssystem und Windows beenden. Was soll das?
Es ist dringend notwendig, daß die Hersteller neue Programmversionen nicht nur um zusätzliche Funktionen erweitern und somit die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöhen. Viel wichtiger wäre es, mit praxisfremden Mängeln gründlich aufzuräumen. Daß absturzgefährdete Programmteile gründlich überarbeitet werden, betrachte ich als Selbstverständlichkeit. Reine Fehlerbeseitigung allein genügt jedoch nicht.
Ein wenig Mut, mit Altlasten aufzuräumen, die dem Anwender meist aus fadenscheinigen Kompatibilitätsgründen zugemutet werden, könnte nicht schaden.
PS: Dieser Beitrag ist eine 1:1-Abschrift nach alter Rechtschreibung. Das gedruckte Original erschien in Computer persönlich 21/1992.