Sonntag, 29. Januar 1984

Rums-rums, rassel-rassel, schließ-schließ. Die Tür fliegt auf und ein junger Kerl wird in meine Zelle geschubst. Typ älterer Bruder. Kleiner als ich. Im Gesicht eine hässliche Bartflechte.

Er schmeißt seine Klamotten auf das obere Bett, sagt „Meins!“ und schaut mich irre an, weil ihm klar ist, dass es meins „war“. Mein erster Schwanzvergleich. Mit einer extra für solche Gelegenheiten antrainierten „Ich scheiße größere Haufen als Du“-Miene stehe ich auf und bohre meinen Blick tief in seine Augen, ohne einen Ton zu sagen.

„War doch nur Spaß“, lacht er und richtet sich im unteren Bett ein. Gewonnen. Fürs erste, denke ich. Wer weiß, was er in der Nacht mit mir anstellt, wenn ich schlafe. Warum ich hier bin, will er wissen. „Republikflucht“ antworte ich einsilbig. Und er? „Körperverletzung“. Das kann ja Eiter werden.

Wir sitzen am Tisch und starren uns an. „Keine Zigaretten?“, fragt er. „Nein, nichts“, weil ich von einer Umverlegung überrascht wurde und noch nichts bunkern konnte. „Kein Problem“, sagt er und bietet mir eine an. Wir rauchen. 

Nach dem Hofgang passiert, was keiner für möglich gehalten hätte: Die Klappe öffnet sich und ein Arm von „Siegfried“ fuchtelt herein. „Thommy? Schnell!“, zischt er und wirft Zigaretten, Zwiebeln, Wertmarken und Brot hindurch, sobald er mich erkannt hat.

Mein neuer Zellenkumpan ist völlig überwältigt. Damit dürften die Fronten endgültig geklärt sein. Und ich werde nachts unbehelligt schlafen können. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

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Matomo