Mein siebter Sonntag im Gefängnis. Heute wie gestern kein Bakelit-Geruch. Stattdessen Buna und Leuna im Kopf.
In der Schule wurden wir langsam aber bestimmt auf Berufe in einem der beiden Chemietriebe getrimmt. Von der vierten bis zur siebten Klasse gehörte ich zu den strebsamen Schülern.
Das änderte sich erst mit ständig steigender Rotlicht-Bestrahlung, die ich anfangs durchaus spannend fand. 1979 erhielt ich sogar eine Urkunde für „hervorragende Leistungen“ in Buna.
Um Buna zu verstehen, muss man Leuna kennen. Mitten im ersten Weltkrieg entstand in der Gemeinde Leuna bei Merseburg ein Ammoniakwerk. Ammoniak war eine zentrale Komponente für die Herstellung von Sprengstoffen.
Später kamen synthetische Kraftstoffe hinzu, die aus fossiler Kohle gewonnen wurden. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg entstand ein weiterer Chemiebetrieb in der Gemeinde Schkopau.
Dort wurde künstlicher Kautschuk hergestellt, der kriegswichtig für die Bereifung von Fahrzeugen war. Dafür ist Butadien-Natrium, abgekürzt Buna erforderlich.
Das Werksgelände von Leuna ist viele Quadratkilometer groß. Über 28.000 Menschen arbeiten hier. Hinzu kommen die Buna-Werke mit über 18.000.
Mehr als 46.000 Menschen aus der Region „kleechen“ Schicht für Schicht in beiden Werken. Hinzu kommen Tausende, die in der Umgebung beschäftigt sind, um die erforderliche Infrastruktur in Gang zu halten.
Lange Zeit galt ein qualifizierter Job in Buna oder Leuna als sichere Bank mit ordentlichen Verdienstmöglichkeiten. Das änderte sich ab Mitte der 1970er Jahre, als beide Chemiebrachen in ihrem eigenen Dreck zu verrecken begannen. Die Gefahr eines katastrophalen Unfalls ist nur eine Frage der Zeit.
Traurige Berühmtheit erlangten sie durch extreme Umweltzerstörungen, die man kilometerweit riechen, sehen und spüren kann. In den dreckigsten Ecken werden Zwangsarbeiter, Strafgefangene und Bausoldaten geknechtet.
Vielen Dank für die Urkunde! Wie singt Udo Lindenberg so schön? „Der Malocher aus’m Ruhrgebiet / Tat nun etwas, was sonst nur selten geschieht / Schmiss seiner Frau das Mobiliar vor die Füße / Und sagt: Jetzt ist aber Schluss meine Süße …“. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …