Mein 50. Tag in U-Haft. Das sind sieben Wochen und ein Tag oder 1.200 Stunden, die ich inzwischen eingesperrt bin. Wegen eines Zettels und weil ich mit der Reichsbahn in den Westen fahren wollte.
Immerhin war es meine freie Entscheidung. Der Staatsanwalt hat angebissen (siehe 𝓕𝓻𝓮𝓲𝓽𝓪𝓰, 27. 𝓙𝓪𝓷𝓾𝓪𝓻 1984). Und Rechtsanwalt Vogel will sich um mich kümmern (siehe 𝓓𝓸𝓷𝓷𝓮𝓻𝓼𝓽𝓪𝓰, 2. 𝓕𝓮𝓫𝓻𝓾𝓪𝓻 1984).
Wenn es in diesem Tempo weiter geht, werde ich noch sehr viel Gelegenheit haben, über alte Zeiten nachzudenken. 1981 war eines meiner schnellsten Jahre.
Es dauerte nicht lange, bis mir die 45 km/h, die mein SR2 schaffte, viel zu langsam waren. Mit höher gestellter Vergasernadel, mehr Luftzufuhr und einem von innen aufpolierten Krümmer schaffte ich es, ihn auf 50 zu frisieren.
In den Sommerferien fuhr ich in ein „Arbeitslager“, um mir das nötige Geld für ein schnelleres Moped zu verdienen. Blöderweise schickten sie mich wegen einer Disziplinlosigkeit nach zwei Wochen wieder nach Hause.
Der Lohn reichte nicht, um die gebrauchte Jawa Mustang zu kaufen, die ich in Kleinanzeigen einer Zeitung entdeckt habe. Meine einzige Hoffnung war, dass dieses „Indianerfahrrad“ unter Kennern keine Freunde hatte. Deshalb würde es hoffentlich so schnell keinen Abnehmer finden.
300 Mark sollte es kosten. Knapp 100 fehlten mir. Oma Frieda konnte mein Elend nicht ertragen und half mir aus. Binnen weniger Tage war ich stolzer Besitzer einer feuerroten „Jawa 50 Typ 23 Mustang“, wie das Mokick mit vollem Namen hieß.
60 „Klamotten“ schaffte es. Jetzt konnte ich schneller als je zuvor zwischen Halle-Neustadt, Teutschenthal und Naumburg pendeln. Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Die Geldbeschaffung für Benzin war ein Drama. Taschengeld bekam ich keins. Und ständig ein paar Mark von Oma Frieda und Tanta Vera schnorren war mir unangenehm. Eine volle Tankfüllung kostete 15 Mark. Woher nehmen, wenn nicht stehlen? 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …
Bild: Authentisches Foto einer Jawa Mustang; Quelle: Wikipedia; nachbearbeitet von TJ; Lizenz: CC BY-SA 4.0