Montag, 20. Februar 1984

Siebter Montag in U-Haft. Mein Zellenkumpan Andi und ich montieren wieder fleißig Bakelit-Stecker. Weil mein Stiefvater demnächst Geburtstag hat, habe ich ihm vor ein paar Tagen einen kurzen Brief geschrieben.

„Lieber Vati, alles Gute zum Geburtstag. Mutti soll sich keine Sorgen machen. Grüß den dritten Knopf von mir …“. Ein drittes Mal wollte ich Onkel Werner, Tante Erika und Karin nicht erwähnen, damit die Zensoren keinen Verdacht schöpfen.

Stattdessen habe ich so getan, als würde ich meinen jüngeren Bruder grüßen. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass wir ihn nie und nimmer „Knopf“ genannt haben.

Tatsächlich ist mit dem dritten Knopf der Sender auf dem Fernsehgerät meiner Eltern gemeint, auf dem das Westprogramm eingestellt ist. Mal sehen, ob er die Botschaft versteht.

Bei aller Antipathie, die ich für meinen Stiefvater empfinde, steht eine Sache fest: Er ist weder in der Partei noch in der Stasi. Politisch waren wir uns einig – die Kommunisten, Sozialisten und Sonstwasisten haben alles verkackt!

Deshalb würde er es mit Sicherheit begrüßen, wenn ich es in den Westen schaffe. Dafür braucht er nicht mehr zu tun, als seine angeheiratete Verwandtschaft in Wuppertal zu informieren.

So durchtrieben, wie er wirklich alles organisiert bekommt, was ihm wichtig ist, sollte es ein Leichtes für ihn sein, eine Nachricht in den Westen zu senden.

Die beste Gelegenheit bietet sich in den Februarferien, wenn Mutti, „Vati“ und mein kleiner Bruder wie jedes Jahr zum Wintersport in die Krkonoše fahren. Dort muss er sich irgendwas einfallen lassen, damit meine Cousine Karin Wind von mir bekommt. Sie wird dann schon das Richtige tun.

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn er das vergeigt. Mal sehen, ob, wann und wie er auf meine Geburtstagsgrüße antwortet. Dann sehen wir weiter.

Dazu fällt mir dieser Song von Udo ein: „Mit dreizehn ist er zum ersten Mal / Von zu Hause weggerannt / Er wollte nach London / Und später nach Paris / Das waren komische Gefühle / Als er nachts an der Straße stand …“. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

Matomo