Montag, 12. März 1984

Rums-rums, rassel-rassel, schließ-schließ. Die Tür fliegt auf. Wir stehen stramm und ich melde „Herr Oberwachtmeister, Verwahrraum sowieso mit einem Strafgefangenen und einem Häftling belegt“.

„Gefangener Jannot raustreten!“, „Gesicht zur Wand“. Es geht die üblichen Treppen, Gitter und Katakomben entlang. Nach einem gefühlten Kilometer und einem halben Dutzend „Gesicht zur Wand!“ werden mir Handschellen angelegt.

Dann ein wunderschönes Treppenhaus. Dort werde ich in einen Raum geschubst, in dem ein Herr sitzt, der sich als mein Rechtsanwalt in Vertretung von Dr. Vogel vorstellt. Das wurde aber auch Zeit (siehe Donnerstag, 2. Februar).

Das Wichtigste in wenigen Worten: Unbedingt Ruhe bewahren. Keine Reden schwingen. Das Urteil akzeptieren, egal wie sie es begründen. Und beinahe geflüstert:

Sobald die Verhandlung vorbei ist, den „Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR“ erneut stellen. Mich auf die Schlussakte von Helsinki berufen und die Begründung auf meine Reisefreiheit reduzieren. Keine politische Prosa.

Im Gerichtssaal sehe ich zum ersten Mal meinen „Mittäter“ Jens wieder. Er lächelt und scheint sich mit seiner Situation arrangiert zu haben (siehe Freitag, 6. Januar).

Die Richter, der Staatsanwalt und die Zeugen kommen herein. Sonst kein Publikum. Minutenlanges Schwadronieren im DDR-Sprech. Peinlich detailliertes Aufzählen von Beweisen. Lächerliche Zettel, Protokolle und Geständnisse.

Jetzt darf unser Heimleiter endlich ran. Er schwingt eine stalinistische Rede und stilisiert mich zum Monster. Dummes Gewäsch, über das ich nur lachen kann, wenn es nicht zum Weinen wäre.

Danach spricht unsere Antje fürs Kollektiv. Ihre Stimme bebt. Sie findet freundliche Worte für uns beide. Das Ganze mit den üblichen Sprüchen garniert, die man politisch geimpft halt so klopft.

Wie wir uns dazu äußern, fragt ein Richter. Da gibt es nichts zu sagen. So ist es gewesen. Nein, ich bereue nichts und ja, ich würde es wieder tun.

Der Staatsanwalt fordert ein Jahr Freiheitsentzug. Von einer besonderen Schwere unserer gemeinschaftlich begangenen Tat sieht er ab. Mein Anwalt schlägt ein halbes auf Bewährung vor.

Die Richter entscheiden sich „im Namen des Volkes“ für je neun Monate ohne Bewährung. Ende der Verhandlung. Das ging aber schnell.

Im Treppenhaus kommt mir Frau Janzen entgegen und schaut mich traurig an. Sie ist die Mutter meines „geliebten Fischkopps“. Aber das ist eine andere Geschichte. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

Matomo