Mittwoch, 1. Februar 1984

„Du kackst und spülst, als wärst Du schon mal hier gewesen“, taste ich mich weiter an Andi heran, während wir Stecker montieren. „Du aber auch“, lacht er.

Aber ja, vor vielen Monaten war er schon mal für ein paar Monate hier. Damals sei er mit Bewährung davongekommen. Diesmal werde es wohl länger dauern.

Ob er darüber reden will, versuche ich nachzuhaken. „Nein, kein Bock“. Wieso ich solche Texte drauf habe und auch noch singen kann, will er stattdessen wissen.

„Singen können ist relativ“, kokettiere ich. Unter Blinden ist der Einäugige König. Aber ja, vielleicht steckt etwas in meinen Genen.

Ein Grund ist mein leiblicher Vater, den ich kaum kenne. Laut meiner Oma, die übrigens Mundharmonika spielen kann, soll er lange vor meiner Zeit in einer Band gespielt haben und bis heute durch die Gegend tingeln.

Seit Jahren versuche ich an eine intakte Gitarre zu kommen. Bislang vergeblich. Die Klampfen, an die ich gelegentlich für ein paar Tage kam, gehörten mir entweder nur leihweise, oder sie waren so defekt, dass sie einfach keinen Spaß machten.

In der Hoffnung, eines Tages von meinem Vater eine ordentliche Gitarre zu bekommen, habe ich viele Jahre Songtexte gesammelt. Überwiegend Neue Deutsche Welle und Udo Lindenberg, weil seine Texte höllisch genial sind.

Schon als Kind habe ich den Plattenspieler meiner Eltern heimlich bis an seine Grenzen gefordert und Zeile für Zeile notiert, was Frank Schöbel singt. Und beim abendlichen Waschen im Bad nachgesungen, weil dort die Akustik so herrlich war, dass ich mich selbst gerne singen hörte.

Über die Jahre ist ein solches Repertoire zusammengekommen, dass ich einen Tick entwickelte. Bestimmte Wortgruppen in Gesprächen wirken wie ein Trigger.

Mir fällt eine Textzeile aus irgendeinem Lied ein, das ich fast zwanghaft singen muss. Wie er an unserem ersten Abend bereits mitbekommen hat. Noch eine Kostprobe gefällig?

„Los Paul, Du musst ihm voll in die Eier haun / Das ist die Art von Gewalt, die wir sehn wolln / Wenn auch nicht spürn wolln …“ von Trio. Mitten im Text kommt der Kalfaktor mit seinem Buchwagen. Jetzt bin ich aber gespannt.  𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

Matomo