Freitag, 24. Februar 1984

Siebter Freitag in U-Haft. Weiter gehts im Bakelit-Programm. Hofgang, quatschen, grübeln. Im Osten nichts Neues.

1980 kam „Vati“ an ein Grundstück am Rande eines Dorfs in der Nähe von Naumburg. Es lag an einem steilen Hang mit grandioser Aussicht auf Schönburg an der Saale.

Damit er es bebauen konnte, brauchte es eine Unterkunft. Dazu schmuggelte er einen Bauwagen nebst Material aus Buna heraus. Das Problem war die schwere Zugänglichkeit seiner Oase.

Obwohl er meinen inzwischen 20-jährigen Bruder vor Jahren aus dem Haus gebissen hat, war er sich nicht zu fein, ihn um Hilfe zu bitten. Andi war studierter Agrotechniker und konnte alles fahren, was Räder hatte. Zur Sicherheit brachte er einen Kumpel mit.

Die Herausforderung lag darin, den Bauwagen durch einen abschüssigen Wald über schlammige Wege zu rangieren und zwischen Bäumen so zu positionieren, dass wir es möglichst nah zur künftigen Baustelle haben.

Die Kurbelei hat Stunden gedauert. Am Ende machte sich „Vati“ über die beiden abschätzig lustig, weil sie sich seiner ungefragten Meinung nach ungeschickt angestellt hätten. Andis Kumpel sagte ihm ins Gesicht, dass er ihm einen Erdrutsch wünscht. Undank ist der Welten Lohn.

Dann musste ich ran. Über viele Monate befreiten wir den Grund von Bäumchen und Gestrüpp, bis wir mit Spitzhacken, Spaten und Schaufeln eine Baugrube ausheben konnten. Danach schleppten wir unzählige Steine und Schubkarren mit Sand und Zement über schmale Pfade, provisorische Treppen und Stege.

Die Schinderei hatte einen klaren Vorteil. „Vati“ lies mir lange Leine, die immer länger wurde. Anfangs ging es Samstagmittag nach der Schule los. Gelegentlich durfte ich sogar schwänzen.

Später fuhren meine Eltern Freitagabend – und ich hatte sturmfrei, was ich gnadenlos ausnutzte. Zum Ausgleich kam ich Samstag mit dem Moped die 45 km zum Helfen gefahren und fuhr vorzugsweise Samstagabend und manchmal Sonntag wieder heim.

Im Kofferradio von „Vati“ lief damals ein Song, bei dem ich Gänsehaut bekam: „Verdamp lang her“ von BAP. So schön kann frei sein. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

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Matomo