Freitag, 17.  Februar 1984

Wir montieren Bakelit-Stecker und ich hänge meinen Gedanken von gestern nach. Es ist Sommer 1975. Kaum habe ich mich an mein neues zu Hause, die Schule und den Hort gewöhnt, ändert sich wieder alles.

Mein Bruder und ich baden gerade im Pappelgrund in Teutschenthal. Da kommen uns Mutti und „Onkel Rudi“ besuchen. Sie haben in ihrem Urlaub geheiratet. Wir dürfen jetzt „Vati“ zu ihm sagen.

Da wir nun eine Familie sind und ein drittes Kind im Anmarsch ist, das im Dezember auf die Welt kommen wird, gelten wir als „kinderreich“. Deshalb haben wir Anspruch auf eine größere Wohnung, in die wir umziehen. Sie befindet sich in der 11. und 12. Etage eines Y-Hochhauses in der Nähe der Russenkaserne. 

Oben ein riesiges Wohnzimmer mit Panoramafenster, eine Küche mit Durchreiche und eine Vorratskammer. Ein Bad mit WC, ein Korridor, eine Diele und eine lange Treppe nach unten. In der unteren Etage ein Kinderzimmer mit Fenster zum Balkon sowie ein zweites Wohnzimmer mit Panoramafenster.

Anstelle der Küche ein offener Raum und eine Abstellkammer. Außerdem ein zweites Bad mit Badewanne und WC. In einer Ecke ein von außen schaltbarer Heizstrahler. Ein Korridor mit Abstellraum unter der Treppe führt zum Schlafzimmer, das mit einem Schrankraum ausgestattet ist. Und schließlich der Zugang zum Balkon mit Fenster zum Kinderzimmer.

Doch damit nicht genug. Im Garagenkomplex neben dem Russenmagazin hat „Vati“ eine Garage für seinen nagelneuen Lada ergattert. Selbstverständlich haben wir ein Telefon. Keine Ahnung, wie er das alles hinbekommen hat. Die wenigsten Familien mit noch mehr Kindern erreichen so viel Luxus in einem Plattenbau. 

Andi und ich können unsere Nachnamen behalten. Wir müssen nur die Schule wechseln. Und der Stress, den wir mit „Onkel Rudi“ hatten, wird mit „Vati“ nicht weniger werden. Dazu fällt mir „Emanuel Flippmann und die Randale-Söhne“ von Udo ein: „So fing’s schon an im Krankenhaus / Kaum zog man ihn aus der Dame raus / Krakeelte er seinen ersten Rock / Doch seine Mutti stand mehr auf Rudolf Schock …“. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

Matomo