Donnerstag, 16. Februar 1984

Alles „geht sein’ sozialistischen Gang“ (Wolf Biermann): Aufstehen, Katzenwäsche, Frühstück. Stecker schrauben, Hofgang, Mittagessen. Stecker schrauben, singen, grübeln. Abendbrot, Buch lesen, Nachtruhe.

Heute muss ich an meine Einschulung denken. Im September 1972 war es endlich soweit. Der kleine Thommy kam in die erste Klasse. Die nagelneue Schule war keine 300 Meter von zu Hause entfernt.

Sie befand sich direkt neben dem Wochenheim, in dem ich seit 1968 von Montag bis Freitag wohnte. In den Pausen konnte ich Frau Zander sehen. Und auf dem Heimweg mit ihr sprechen. Das änderte sich erst, als wir 1975 in eine sehr viel größere Wohnung umzogen und ich in der vierten Klasse die Schule wechseln musste. 

Meine Schulklasse war im wahrsten Sinne des Wortes großartig. Während wir im Wochenheim „nur“ 16 Kinder in einer Gruppe waren, die Tag und Nacht miteinander auskommen mussten, waren wir in der Klasse 1a doppelt so viele Schüler.

Eine Hälfte blieb wie ich nachmittags im Hort und ging erst abends nach Hause. Die andere waren wie mein Bruder „Schlüsselkinder“ und gingen zum oder nach dem Mittagessen heim.

Am großartigsten war meine Zuckertüte, die ich schon Tage vor der Einschulung im Schlafzimmer meiner Mutter längst entdeckt hatte. Sie war fast so groß wie ich. Endlich gehörte sie mir. Am Sonntag hatte ich sie bereits zur Hälfte niedergemacht. Am Mittwoch war sie leer.

Mein Bruder wusste, wie es in solchen Fragen um mich bestellt war und ließ mir von allem, was er aß, stets was über. Denn ich hatte immer Hunger. Vor allem auf Süßes. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich nie zurückhalten.

Möglicherweise hatte ich einen Komplex. Zumindest äußerte sich „Onkel Rudi“ entsprechend: „Dumm frisst viel“ war sein Spruch, wenn ich ungeniert zuschlug. Den musste ich mir bis 1982 anhören.

Da fällt mir das „Fressduett“ von Reinhard Lakomy alias „LACKY“ mit Angelika Mann, „die Lütte“ ein: „Sie: Ich esse für mein Leben gern / Er: Man sieht es Dir auch an … Beide: Mir doch egal, mir doch egal / Wenn’s schmeckt, schlagen wir zu …“. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

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Matomo