Dienstag, 31. Januar 1984

Heute hat mich Andi zum ersten Mal überrascht. Warum wir keine Arbeit haben, fragt er, so als würde ich keine wollen.

Weil sie mich nicht darum gebeten haben, zucke ich ratlos mit den Schultern. Ob ich wüsste, welche Arbeit es gibt. Ja, weiß ich und erzähle von der Klapper.

Er steht auf und schlägt deutlich vernehmbar gegen die Zellentür. Die Klappe öffnet sich und ein Schließer will wissen, was los ist. Das hätte ich mir (noch) nicht getraut. „Wir wollen arbeiten“, sagt Andi. „Kein Problem“, antwortet der Schließer und verschwindet.

So geht das! Du musst schon sagen, was Du willst, klärt mich Andi auf. Sonst rühren die keinen Finger. Nach dem Hofgang werden von einem Kalfaktor zwei Säcke Bakelit, zwei leere Papiersäcke sowie ein großer Haufen Stifte, Schrauben, Unterlegscheibchen und Muttern in die Zelle „gekippt“. Na dann frohes Schaffen.

Mit Büchern funktioniert das genauso. Du musst dem Kalfaktor Bescheid geben, dass er mit seinem Buchwagen halten soll, wenn er mittwochs seine Runde dreht.

Worauf Du einen lassen kannst, staune ich. Irgendwann wären sie von allein gekommen, klärt Andi mich auf. Aber erst, wenn sie es wollen. Aber fragen kost ja nix, grinst er mit diebischer Freude.

Vor dem Abendessen, als die vollen Säcke abgeholt werden, sage ich dem Kalfaktor, ob er morgen mit seinem Buchwagen bei mir halten kann. „Sonst noch was?“, knurrt er zurück.

„Keine Sorge, der kommt“, beruhigt mich Andi. Zum Dank singe ich ihm ein Ständchen: „Gute Nacht, Freunde / Es wird Zeit für mich zu geh’n …“ von Reinhard Mey. Er bekommt feuchte Augen. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …

Matomo