Der dritte 213er ist ein sympathischer Muskelprotz vom Typ „KJS“-Gladiator. Ein kluger Kopf, der als Schwimmer anfing und als Bodybuilder aufhörte. Entsprechend großartig ist sein Körper geformt, was im Strafvollzug Fluch und Segen ist.
Ein Segen, weil die meisten Strafgefangenen Respekt vor ihm haben werden. Ein Fluch, weil Platzhirsche sich auf ihn einschießen könnten, wenn er sich ungeschickt verhält.
Seine versuchte Republikflucht war „echt“. Im Unterschied zu Jens und mir, die nur so taten, als würden wir wie Rentner ganz normal über die Grenze fahren wollen, wollte er über Ungarn abhauen und wurde verraten.
Inzwischen haben wir erfahren, dass wir sogenannte „Altstrafer“ sind und in einem „Verwahrhaus“ landen werden, wo nur Volljährige untergebracht sind.
Dort soll es braver zugehen als in dem Block, wo alle unter 18 ihr Dasein fristen. Eine Kostprobe davon, wie es dort zugeht, bekamen wir heute zu sehen.
Zuerst ging es in die Effektenkammer, wo wir unsere Zivilkleidung gegen abgetragene Armeeklamotten tauschten, die nur Pi mal Daumen passen.
Für mich eine überbreite Jacke mit einem gelben Streifen auf dem Rücken und eine „Hochwasser“-Hose mit gelben Streifen an den Beinen.
Dazu graue Unterwäsche, wollene Socken, labbrige Latschen und ausgelatschte Schuhe. Außerdem Bettwäsche im NVA-Design, eine Überdecke und die nötigsten Waschutensilien.
So zerlumpt, wie wir aussehen, geht es in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt zur ärztlichen Untersuchung. Jens und ich landen in einem Warteraum mit ca. 20 Jugendlichen in blauen „Uniformen“.
Einige von ihnen sind noch Kinder. Viele wirken eingeschüchtert. Nur wenige schauen trotzig oder selbstbewusst.
Die Tür geht auf und zwei große Kerle kommen wie selbstverständlich rein. Einer stärker als der andere. Ihre blauen „Anzüge“ sitzen wie maßgeschneidert.
Den einen kennen wir beide: Uwe Sowieso aus der 16. POS, in die auch Jens ging, während ich in der 15. war (siehe Sonntag, 22. Januar).
Uwe ist ein harter Hund, mit dem ich zum Glück noch keinen Esel zu kämmen hatte. Wenn wir uns sahen, grüßten wir einander. Sonst gingen wir uns aus dem Weg.
Jens kennt ihn besser. Wir wechseln ein paar freundliche Worte. Dann setzen sich die beiden Kerle zu einem Jugendlichen, nehmen ihn in ihre Mitte und drangsalieren ihn kaum sichtbar mit brutalen Schlägen.
Jens schaut mich entsetzt an und macht Andeutungen, sich einmischen zu wollen. Auf gar keinen Fall, gebe ich ihm mit einer unmissverständlichen Geste zu verstehen. Das wäre unser Anfang vom Ende. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽 …