Rums-rums, rassel-rassel, schließ-schließ. Dieses Geräusch entsteht, wenn ein Schließer mit genüsslicher Wucht die beiden Stahlriegel am oberen und unteren Rahmen der Zellentür mit Händen und Füßen aufkantet.
Gleichzeitig schwingt er einen schweren Schlüsselbund wie einen Colt und schießt den passenden Schlüssel aus der Hüfte ins Schlüsselloch. Dann dreht er ihn mit Überschallgeschwindigkeit zwei volle Runden.
Aus der Plötzlichkeit, Lautstärke und Trittfrequenz kann ich schließen, wie ein Schließer drauf ist. Wirklich hässlich wird es, wenn ich gerade auf dem Topf sitze. Wer einen regelmäßigen Stuhlgang hat, ist klar im Vorteil.
Nach nur drei Tagen und Nächten habe ich gelernt, echte Stille von gefährlicher Ruhe zu unterscheiden. Leise Schritte, die sich tatsächlich entfernen, klingen völlig anders als geschlichene Schritte, die ausbleiben, obwohl sie zu hören hätten sein müssen. Einzelhaft schärft die Sinne für Geräuschkulissen, Bewegungsmuster und Vibrationen. Verdächtige Stille kann verdammt laut sein.
Die Tür fliegt auf. Kein „Heraustreten!“, sondern demonstratives Abwarten. Hosen hoch und einen Schritt zurückgetreten. Ein Blick auf die Schulterklappen. Dann mein „Herr Wachtmeister, Verwahrraum sowieso mit einem Häftling belegt“. Zufriedenes Nicken. „Heraustreten!“. „Gesicht zur Wand!“.
Diesmal geht es durch enge Gänge in einen Verhörraum irgendwo. Der Vernehmer, ein alter weißhaariger Mann in einer grauen Uniform stellt mir so gut wie dieselben Fragen, wie die Kripo vor ein paar Tagen. Er kann nicht fassen, dass ich nichts bestreite. Dass ich immer noch den Zettel geschrieben haben will und wir mit dem nächsten Transitzug einfach so in den Westen fahren wollten. Was, wenn wir selbstverständlich kontrolliert worden wären? Dann Stasi. Ende der Geschichte.
Er versucht es mit der einen oder anderen Fangfrage in Richtung spektakuläre Fluchtpläne, rohe Gewalt und/oder eingeweihte Komplizen. Nichts zu machen. Wir wollten wie ganz normale Rentner einfach rüberfahren. Jetzt bin ich hier und werde es bei nächster Gelegenheit wieder tun. So oft, bis es funktioniert. Er ist baff. Nachdem ich das Protokoll unterschrieben habe, schaut er mich kopfschüttelnd an und wünscht mir Glück. 𝓕𝓸𝓻𝓽𝓼𝓮𝓽𝔃𝓾𝓷𝓰 𝓯𝓸𝓵𝓰𝓽…