Gerade lernen wir, dass es eng wird. Von meinem Schreibtisch sind es 755 km bis zur ukrainischen Grenze – nicht viel und laut Google Maps in neun Stunden mit dem Auto zu schaffen.
Vom Tesla-Hauptquartier in Austin (Texas) nach Grünheide (Brandenburg) sind es dagegen mehr als 8600 km. Und doch hat Elon Musk diesen Weg in Kauf genommen, um im dicht besiedelten Europa eine Gigafactory zu bauen. Ein Grund liegt auf der Hand: die Absatzmärkte. Ein weiterer Grund: die Fachkräfte. Das „dichte Netz von Wissenschaftseinrichtungen“ und „das Fachkräftepotenzial sind wichtige Standortfaktoren für Brandenburg“ konstatiert das Land zufrieden. All die Spitzenuniversitäten, Forschungseinrichtungen und Exzellenz-Cluster zahlen sich derzeit aus. Die Frage aus Investorensicht ist dann nur, ob noch etwas Baugrund übrig ist. Genau in diesem Spannungsfeld sind zwei unserer Schwerpunktgeschichten angesiedelt.
Aus dem Inhalt
- Lieferservice: Was Online-Kuriere alles auftischen
- Silicon Saxony: Wo die nächste Chipfabrik entsteht
- Business-Bikes: Wer per Dienstfahrrad zur Arbeit kommt
- New Space: Wo Trägerraketen aus dem Wasser starten
- Wirtschaftsförderung: Was der Standort zum Erfolg beiträgt
- Smart Meter: Warum die Wende am Messgerät hängt
Gleich eingangs skizziert Roland Freist, wie aus der DDR-Arbeitsstelle für Molekularelektronik in Dresden das heutige „Silicon Saxony“ geworden ist (Seite 4), einer der größten Hightech-Cluster Europas. Den Zuschlag für die Intel-Halbleiterfabriken – noch zwei Schuhnummern größer als das Tesla-Werk und für Sachsen hochinteressant – hat allerdings Magdeburg bekommen. Vor allem zwei Gründe gaben den Ausschlag: zum einen Universität und Hochschule. Und dann „das große verfügbare Bauland in zentraler Lage“ am Eulenberg. „Durchstarter Brandenburg“ heißt darum auch ein Abschnitt in der Geschichte von Mehmet Toprak, der sich darüber hinaus angesehen hat, wie die Wirtschaftsförderung in der Nordhälfte Deutschlands mit ihren Standortfaktoren punktet (Seite 16). Dabei zeigt sich, dass Infrastruktur und Energieversorgung ebenfalls K.o.-Kriterien der Entscheidung sind. Berlin kann außerdem noch seinen Hauptstadt-Joker ausspielen: Als Regierungssitz ist die Stadt automatisch die erste Adresse für die Lobby-Arbeit.
Apropos Energieversorgung (und apropos Lobby-Arbeit): Zu Redaktionsschluss sind viele energiepolitische Glaubenssätze durch den Ukraine-Krieg wieder zu offenen Fragen geworden; eine Lösung steht noch aus. So oder so werden wir aber „eine flexible Infrastruktur mit intelligenten Netzen und digitalen Stromzählern“ brauchen, wie Dirk Bongardt betont (Seite 18).
Wenn aber wirklich gar kein Platz mehr ist? Dann lässt man sich etwas einfallen. Die German Offshore Spaceport Alliance z.B. plant einen europäischen Weltraumbahnhof in der Nordsee vor Bremerhaven. Die Trägerraketen, die sogenannte Mikrosatelliten in die Umlaufbahn bringen, sollen dort vom Schiff aus starten. Wie das funktionieren könnte, schildert Friedrich List ab Seite 12.
Andererseits hat Nähe auch seine Vorteile. Im Social Distancing der Pandemie haben manche Geschäfte nur überlebt, weil sie den Warentransport neu organisiert haben: per Abholung durch die Kunden (Click and Collect) oder per Lieferservice. „Für Kurierdienste und Zusteller waren die großen Lockdowns der Turbo“, schreibt Michael Praschma in seiner Analyse (Seite 14). Vorreiter war natürlich die Gastronomie, doch andere Branchen sind bald nachgezogen. Allerdings zeichnet sich ab, dass das Konzept nur bedingt skalierbar ist, u. a. deshalb, weil der Verkehr in den Ballungszentren ohnedies dicht genug ist. Davon können alle ein Lied singen, die zu Stoßzeiten mit dem Auto in die Arbeit fahren. Der Trend geht darum zum – elektrisch unterstützten – Dienstfahrrad, das mehr und mehr Unternehmen ihren Beschäftigten anbieten. Entsprechende Anbieter locken mit attraktiven Leasing-Konzepten. Sie finden den Business-Bike-Beitrag gar nicht weit von hier auf Seite 8, nur fünf Seiten entfernt.
Quelle: IT-Unternehmen aus der Region (Nord) stellen sich vor 1/2022 in c’t 11/22