Der Gegenwart deutlich voraus

Es ist eine Glaubensfrage. Wer sich und seine Angelegenheiten ganz in fremde Hände legen soll, geht ein hohes Risiko ein. Darum heißen Krankenschwestern Schwestern – weil lange Zeit Nonnen diese Aufgabe innehatten, die nicht nur Menschen verantwortlich sind, sondern jenseits davon noch ein göttliches Strafgericht fürchten. Insofern ist es nur logisch, dass Peter Hartl im katholisch-niederbayerischen Markt Hofkirchen bei Passau „das modernste Rechenzentrum Bayerns“ durch Ortspfarrer Gotthard Weiß einsegnen ließ. Trusted Cloud sozusagen.

Schließlich kommt heute kein Unternehmen, das morgen noch mitmischen will, um Cloud-Dienste herum. Und spätestens seit Inkrafttreten der DSGVO suchen sich viele Firmenkunden lieber ein regionales Rechenzentrum in Reichweite, das zeigt der Report von David Schahinian (Seite 17). Datenschutztechnisch haben diese Anlagen einen Standortvorteil, sicherheitstechnisch stehen sie den Datacentern der Global Player in nichts nach.

Bleiben wir ruhig noch einen Moment am Rande des Bayerischen Waldes. Dort ist nämlich gut zu beobachten, wie Digitalisierung funktioniert: in Kooperation. Zusammen mit der Datenschutz Pöllinger GmbH kann Hartl seinen Kunden nämlich eine dedizierte Datenschutz-Management-Software anbieten. Das Münchner Familienunternehmen Dontenwill wiederum lässt seine Cloud-ERP-Komplettlösung als Managed Service bei Hartl laufen. Und auf der it-sa 2019 haben sich Hartl, das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM, achelos, Micro Focus IS4IT und IS4IT Kritis unter dem Label „kick IT“ als „Top-Team der Security-Liga“ präsentiert. Dass sich das Prinzip Kooperation im digitalen Wandel auch aufseiten der Anwenderunternehmen durchsetzt, zeigt der Beitrag von Kai Tubbesing auf Seite 8. Er nennt eine Reihe gestandener Familienunternehmen, die sich auf diese Weise erfolgreich neu positioniert haben.

Wer wissen will, woher diese neue Offenheit kommt, sollte sich einmal einen der Gründerwettbewerbe ansehen, auf denen sich junge Start-ups vorstellen. Diese Generation hat alle Eigenbrötelei abgelegt und versteht sich von Anfang an als Teil eines digitalen Ökosystems. Die wichtigsten regionalen Pitches und Preise zwischen Rosenheim und Erfurt stellt Mehmet Toprak vor (Seite 14).

So ist Vernetzung im doppelten Sinne das Erfolgsgeheimnis der digitalen Gegenwart. Insofern hätte gerade die Energieversorgung beste Voraussetzungen, schließlich fließen Strom und Gas seit jeher durch Verteilnetze. Und genau da liegt die Schwierigkeit. Bislang gingen die Lieferungen vor allem in eine Richtung, von wenigen Produzenten zu den vielen Verbrauchern. Das aber hat sich geändert, seit Fotovoltaikanlagen Energie rückspeisen und die Netze vor der Aufgabe stehen, ein komplexes Geflecht aus „Prosumern“ mit wechselnden Lasten und Leistungen in der Balance zu halten. Smart Grids heißen solche Netze, und die Forschung daran ist der Realität weit voraus (Seite 11).

Einen noch größeren Rückstand schiebt nur die Verkehrspolitik vor sich her, deren Planungen oft Jahrzehnte dauern. So kommt es, dass die Isentaltrasse der A94 kurz nach dem UN-Klimagipfel 2019 eröffnet wurde, während die Bahnstrecke des Brennerzulaufs noch in den Sternen steht. Unterdessen sehen München und Nürnberg/Fürth selbst zu, wie sie im Pendlerandrang dem Infarkt entgehen. Da gibt es bereits interessante Konzepte (Seite 5), aber in der Fläche kommt man in Bayern vor allem mit dem Auto voran. Beispiel Hofkirchen: Der 6147er Bus fährt morgens, mittags und abends, die Fahrt dauert bis Deggendorf 40 Minuten, bis Passau eine Stunde. Mit dem Auto geht es doppelt so schnell.

Quelle: IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor 3/2019 (PLZ 8+) in c’t 23/19

Matomo