In Wandel immer sehr gut

Die jüngsten Diskussionen um den Braunkohleausstieg verfolgt man im Revier mit etwa dem Gefühl, mit dem man seine alten Schulhefte betrachtet, wenn sie einem beim Entrümpeln zufällig in die Hände fallen:

Es werden Erinnerungen wach, aber das alles ist irgendwie weit entfernt, und man fragt sich heute, was daran damals nur so schwierig war. Brüche kürzen, einfaches Umrechnen und so.

Dabei war der Strukturwandel alles andere als leicht. Aber im Rückblick zeigt sich, dass es einige Entscheidungen gibt, die bis heute wegweisend sind. Die Gründung der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen in Duisburg, Essen, Hagen, Siegen und Wuppertal gehört sicher dazu. Sie haben für eine lebendige Universitätslandschaft gesorgt, auf die man stolz sein darf. Letztlich gibt es volkswirtschaftlich kein besseres Kapital als die Ausbildung der Jugend.

Im Rückblick zeigt sich auch, dass das Land und seine Wirtschaft Wandel und Innovation tief in der unternehmerischen Denke verankert hat, sehr viel früher und stärker als andernorts. Man werfe nur einen Blick auf die Anfänge von GData – ein Marktführer auf seinem Gebiet. Oder man erinnere sich an ELSA, das sich unter anderem in devolo verwandelt hat – ebenfalls ein Marktführer.

Wenn es einmal eine „Straße der Digitalisierungskultur“ gibt, könnte sie von Würselen und Aachen nach Bochum führen. So gesehen hat Dirk Bongardt vollkommen Recht, wenn er sagt:

„Aus der Not hat der Pott schon eine Tugend gemacht, als die digitale Transformation noch ‚Strukturwandel‘ hieß. Hier hat sie früher begonnen als anderswo.“

Seinen Titelbeitrag, der den Weg von Stahl und Kohle zum „Smart Pott“ nachzeichnet, finden Sie gleich auf Seite 4.

Rechnen bleibt auch weiterhin eine hohe Kunst, denn die Finanzlage ist fast überall in den Kommunen angespannt. Das bekam zum Beispiel das TechnologieZentrum Mainz zu spüren, als der Landesrechnungshof empfahl, die Förderung einzustellen – zu teuer, zu wenig vertretbare Ergebnisse. Das Gegenbeispiel ist Gummersbach, das nicht nur Handball kann, sondern auch ein voll ausgelastetes Gründer- und TechnologieCentrum unterhält, in dem es nur so brummt.

Aus dieser Ecke kommen zum Beispiel Nils Kühle und Christian Sühwold von fsk engineering, die mit ihrer intuitiven SmartCell-Roboterprogrammierung für den Gründerpreis NRW 2018 nominiert sind. Welche Hilfen Start-ups und Jungunternehmen in der Region erwarten dürfen, untersucht der Bericht am Heftschluss (Seite 17), gleich nach einem Überblick über die Messelandschaft (Seite 15).

Und weil sich kaum irgendwo sonst die Städte so dicht zusammenballen wie in dieser Region, gibt es außerdem einen Smart-City-Report. Friedrich List hat nachgesehen, wie man sich in Köln, Duisburg oder Dortmund die urbanen Welten von morgen vorstellt – und welche konkreten Projekte bereits laufen (Seite 8). Namentlich Dortmund ist derzeit ausgesprochen erfolgreich: Die Stiftung Lebendige Stadt würdigte die dortigen Initiativen im September 2018 mit der Auszeichnung zur „digitalsten Stadt“.

Dazu gehören E-Mobility-Strategien ebenso wie Smart Meter, intelligente Straßenbeleuchtung und vernetzte Nachbarschaftshilfe. Diese wird regelmäßig unterschätzt, bewirkt aber gerade dort viel, wo keine potenten Versorger als Projektpartner zu gewinnen sind und der Stadtrat sich schwer damit tut, von heute auf morgen ein paar Millionen aus dem Fördertopf zu zaubern.

Wenn ich darüber hinaus bedenke, welche gigantische integrative Kraft in diesem Wandel steckt, stimmt mich das mehr als zuversichtlich. Von diesem Bildungsweg könnten andere Regionen viel lernen.

Quelle: IT-Unternehmen aus der Region (PLZ 4+5) stellen sich vor 3/2018 vor in c’t 24/18

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Matomo