Was künftige Rechenzentren von heutigen unterscheidet

Als ich vor etwas mehr als 35 Jahren meinen ersten Aufsatz darüber schrieb, wie ich mir das Jahr 2000 vorstelle, fühlte ich mich wie Ray Bradbury. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ich weniger als keinen blassen Schimmer hatte. Das war das peinliche Ergebnis, als ich mein Geschreibsel bei einem Klassentreffen vor wenigen Jahren nachzulesen bekam.

Gründlich daneben lag ich auch, als ich kurz nach der Inauguration von Michail Gorbatschow zur Zukunft der Sowjetunion im Allgemeinen und der DDR im Besonderen gefragt wurde. Dass alles so bleiben und noch schlimmer würde, war meine feste Überzeugung. Seitdem bin ich sehr skeptisch, was langfristige Prognosen betrifft. Insbesondere dann, wenn es um digitale Einflüsse auf analoge Werte geht. Dennoch müssen und wollen wir es in dieser Ausgabe wagen.

Den Anfang macht Dr. Peter Koch von Emerson Network Power. Er beschreibt das Rechenzentrum im Jahr 2025. Sein Blick in die Glaskugel stützt sich auf Erfahrung. Branchenexperten gehen davon aus, dass sich Rechenzentren im Verlauf des kommenden Jahrzehnts im Vergleich zu ihrer bisher bekannten Form stark verändern werden. Insbesondere erwarten sie – wen wundert’s – eine Zunahme bei der Nutzung von Solarenergie und Cloud-Diensten.

Die Münchner Journalistin Ariane Rüdiger hat auf der Datacloud Europe in Monaco mindestens einen deutlichen Trend ausgemacht. Ab Seite 8 berichtet sie über neue Wege zum Rechenzentrum. Verschiedenste Ansätze konkurrieren, um bestehende und neue Data Center umweltfreundlicher und nachhaltiger aus oder neu zu bauen. Mit der Berechnung der Power Usage Effectiveness (PUE) allein sei es jedenfalls nicht mehr getan. Neben Standortfragen spielen vor allen Dingen das Sicherheitskonzept und der effektive IT-Betrieb eine wichtige Rolle. Prämierte Beispiele aus Europa belegen, dass digitale Nachhaltigkeit durchaus machbar ist.

Das bestätigt auch Thorsten Henning von Palo Alto Networks. Er schwört auf Sicherheit: „Hybride Rechenzentren ganzheitlich schützen“, heißt sein Beitrag ab Seite 12, in dem es darum geht, wie sich gemischte physische und virtuelle Umgebungen gegen (künftige) Angriffe sichern lassen. Denn Rechenzentren entwickeln sich immer mehr zu einem Mix aus physischen und virtuellen Rechen-, Netzwerk- und Speicherkomponenten. Angreifern ist das egal. Deshalb stellt sich die Frage, ob zum Schutz der Daten neue Konzepte nötig sind.

Der Münchner Journalist Roland Freist hinterfragt ab Seite 15 einen Hype, der vielleicht doch keiner ist: Hyper-converged. Hyperkonvergente Infrastrukturen versprechen vereinfachte Administration und geringere Kosten. Doch das Konzept hat seine Grenzen. Ronald Timmermans von Schleifenbauer macht im Anschluss auf ein Problem aufmerksam, das gerne unterschätzt wird. Fehlerströme sind eine Gefahrenquelle, die im europäischen Ausland oftmals keine Rolle spielt, in Deutschland aber durchaus relevant ist. Warum Differenzströme gefährlich sein können, steht ab Seite 17 geschrieben.

Bleiben wir bei fließendem Strom. Er bringt unweigerlich elektromagnetische Felder mit sich, die HF-Strahlung abgeben. Elektrische Geräte können von den starken Feldern negativ beeinflusst werden. Aber auch schwache Felder sind eine Gefahr, weil Informationen bei unerwünschten Mithörern landen können. Schutz versprechen IT-Sicherheitsräume, schreibt Hartmut Lohrey von Rittal ab Seite 20.

Auf Seite 23 geht es um Diversifikation, die sich bei der Auslagerung von Rechenzentren auszahlen soll. Wie sich ein möglichst schneller Zugriff auf ausgelagerte Daten herstellen lässt, beschreibt Matthias Hain von Colt. Den Abschluss macht Tony Thompson von Silver Peak. Ab Seite 24 geht es darum, ob Multi-Protocol Label Switching (MPLS) zu teuer, wenig flexibel und nur unzureichend für Techniken wie Cloud Computing ausgelegt ist. Eine Alternative könnte Software-Defined WAN auf Grundlage von kostengünstigen Breitband-Internetverbindungen sein, da beide Technologien kombinierbar sind.

Die Frage ist, was tatsächlich Zukunft hat. Wenn kein Schwarzer Schwan Rechenzentren und Infrastrukturen völlig überflüssig macht, dürfte ihre künftige Entwicklung einigermaßen absehbar sein, weshalb ich den Ausführungen der Autoren dieser Ausgabe sehr wohl mehr Glauben schenke als meinen eigenen von damals. ;-)

Quelle: Rechenzentren und Infrastruktur 3/2015 in iX 8/2015

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Matomo