Lust und Frust mit Software

Als Kommandozeilen-Fetischist habe ich viele Jahre mit nahezu sämtlichen DOS-Versionen meine Erfahrungen gesammelt. Menüoberflächen waren für mich tabu. Bis ich ihnen beigebracht habe, was ich eigentlich wollte, hatte ich mit zehn Fingern blind längst meine Befehle inklusive diverser Parameter eingegeben. Auch Windows 3.0, das mir auf den ersten Blick recht gut gefiel, putzte ich bald wieder von der Platte, weil mir der Dateimanager einfach auf die Nerven ging.

Mit Windows 3.1 wurde alles anders. Der Dateimanager trägt seinen Namen endlich zurecht. Neben den vielen Pluspunkten, die Windows 3.1 ohnehin auszeichnen, begeistern mich auch die witzigen Soundeigenschaften sowie die Tatsache, das es sich in Sachen Geschwindigkeit sogar mit meinem Uralt-AT wieder anfreunden konnte, was für Windows 3.0 nicht galt. Lange Rede kurzer Sinn – ich stellte meine gesamte Hard- und Software auf Windows 3.1 um.

In Crashkursen arbeitete ich mich in die neuen alten Programme ein – ohne zu ahnen, daß die Windows-Versionen einmal verrückt spielen könnten. Jetzt bin ich ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Der eine oder andere „Fehler in der Anwendung…“ läßt mich noch relativ kalt.

Meist taucht er auf, wenn ich ohnehin etwas eher Ungewöhnliches realisieren will, was unter DOS nicht mal im Traum möglich gewesen wäre. Doch in letzter Zeit häufen sich die Macken.

So ging zum Beispiel eine in mehreren Stunden mühsam aufgebaute Tabelle unwiderruflich zum Teufel, obwohl ich mir angewöhnt habe, meine Arbeiten alle paar Sekunden zu speichern. Warum? Weil ich die Tabellenfunktion von Winword verwendet habe, obwohl es Excel gibt. Ab einem imaginären Datenvolumen verweigert nämlich Winword das normalste von der Welt – das Speichern der Tabelle. Die Datei sei zu groß. Ich soll sie doch einfach kürzen und es dann erneut versuchen. 30 KByte?

Das gleiche passiert übrigens auch, wenn man eine imaginäre Anzahl von einfachen Textabsätzen sortieren oder numerieren läßt. Rettungsaktionen über die Zwischenablage haben keinen Sinn. Die Daten sind beim nächsten Wiederbelebungsversuch um den Teil kürzer, der Winword zuviel war. Hätten einige Kollegen dieses Problem nicht auch schon gehabt, hätte ich meinen Forscherdrang walten lassen und nach den Ursachen gesucht, wobei einige Zeit draufgegangen wäre. So nahm ich dies zum Anlaß und installierte Excel.

Der Aufbau meiner Tabelle war völlig problemlos – auch das Speichern. Doch beim Importieren einer Grafik kam es mal wieder zu einem „Fehler in der Anwendung..“. Excel verabschiedete sich ohne Rücksicht auf meine Datei, die unverschlossen blieb und deshalb von Windows 3.1 plattgemacht wurde. Zum Glück war ich darauf vorbereitet und hatte eine Sicherungskopie. Jetzt verzichte ich vorerst auf den Grafikimport, weil die Tabelle wichtiger ist.

Ein Auto mit solchen Macken hätte ich längst zurückgegeben. Warum sollte dies nicht auch mit Software möglich sein? Wieso dürfen Softwarehersteller über meine Zeit bestimmen und sich mit mehr als 30 KByte langen Lizenzvereinbarungen von jeder Pflicht freisprechen? Ich hoffe nicht mehr lange.

PS: Dieser Beitrag ist eine 1:1-Abschrift nach alter Rechtschreibung. Das gedruckte Original erschien in Computer persönlich 20/1992.

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Matomo