Mittwoch, 11. März 2015: Das MittelstandsWiki veröffentlicht im Rahmen seiner redaktionellen Berichterstattung zur Hannover Messe einen Blog-Beitrag mit der Überschrift Virtuelles Engineering ist die Basis für Industrie 4.0. Der Autor stützt sich dabei auf eine Pressemitteilung von Eplan, Rittal und Phoenix Contact. Zum Pressetext gehört ein Bild von einem virtuellen Messestand, das im MittelstandsWiki passend zum Beitrag veröffentlicht wird.
Dienstag, 12. Mai, 15:28 Uhr: Die just 4 business GmbH erhält ein Fax von Keller Menz. Die Rechtsanwälte „zeigen an“, dass sie die Firma Blackeight GmbH vertreten. Sie nennen u.a. zwei URL mit der „Darstellung des entsprechenden Messestandes“, an denen ihre Mandantin Rechte habe. Ihr stehe deshalb ein Unterlassungsanspruch gegen die just 4 business GmbH zu. „Zur Vermeidung eines gerichtlichen Unterlassungsverfahrens“ wird der Geschäftsführer aufgefordert, „die beanstandete Darstellung … unverzüglich zu entfernen und … bis spätestens Mittwoch, den 20.05.2015, 14 Uhr … beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben“. Außerdem stünden ihrer Mandantin aufgrund „Zuwiderhandlung gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Auskunftsansprüche zu“. „Schließlich“ sei just 4 business „verpflichtet, … die Kosten unserer Beauftragung zu ersetzen“. Diese belaufen sich auf einen „Gegenstandswert“ von 10.000,00 Euro. Die „1,3 Geschäftsgebühr“ betrage 725,40 Euro zuzüglich 20,- Euro „Auslagenpauschale“. Macht zusammen 745,40 Euro. Dieser Beitrag sei bis spätestens Freitag, 22.05.2015 (eingehend) zu überweisen. Im letzten Absatz ihres Schreibens legt die „Rechtsanwältin / Steuerberaterin“ nach, dass sie „angesichts der Offenkundigkeit des Verstoßes … nur dringend raten“ könne, „die Unterlassungserklärung umgehend zu unterzeichnen und … „fristgemäß zurückzusenden“. Andernfalls werde sie „unverzüglich gerichtliche Schritte … einleiten“. Beigefügt ist eine Anlage 1 mit einer Vollmacht sowie eine Anlage 2 mit einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“, die vier Punkte umfasst: 1. Unterlassung, 2. Vertragsstrafe, 3. Auskunftserteilung und 4. Kostenerstattung.
Dienstag, 12. Mai, 16:28 Uhr: just 4 business wendet sich per E-Mail an die Presseabteilung von Rittal und bittet um Rat.
Dienstag, 12. Mai, 16:39 Uhr: Rittal antwortet per E-Mail, dass man sich „umgehend darum kümmern“ und wieder melden werde.
Dienstag, 12. Mai, 16:47 Uhr: just 4 business bestätigt per E-Mail an Keller Menz den Eingang des Faxes und bittet um Fristverlängerung.
Dienstag, 12. Mai, 17:04 Uhr: Keller Menz fragt per E-Mail nach einem Termin für die längere Frist. just 4 business versucht es 17:39 Uhr mit Freitag, 12. Juni.
Dienstag, 12. Mai, 18:09 Uhr: just 4 business wendet sich per E-Mail an die Pressesprecherin von Blackeight und bittet um ein Interview mit einem der Geschäftsführer. Es folgt eine automatische Antwort wegen Abwesenheit.
Dienstag, 12. Mai, 18:15 Uhr: just 4 business wendet sich per E-Mail an die Vertretung der Pressesprecherin von Blackeight und bittet um Rückmeldung. Keine Antwort.
Mittwoch, 13. Mai, 8:58 Uhr: Keller Menz verlängert per E-Mail die Frist für die Unterlassungserklärung auf Dienstag, 26. Mai, 14:00 Uhr und für die Zahlung der Kosten auf Donnerstag, 28. Mai. Außerdem wird just 4 business gebeten, „von Interviewanfragen … abzusehen“.
Mittwoch, 13. Mai, 13:22 Uhr: Der Herausgeber des MittelstandsWiki textet sich auf seiner privaten Website seinen persönlichen Frust von der Seele.
Freitag, 15. Mai: Ein namentlich bekannter Journalist ruft den Herausgeber an, weil er u.a. herausgefunden habe, dass zwei Agenturen einen so genannten Pitch zum Messestand von Rittal & Co. zur Hannover Messe gemacht hätten. Eine Agentur habe verloren und behauptet, das Konzept und die Abbildung seien von ihr. Die andere habe gewonnen und behauptet ebenfalls, das Konzept sei von ihr. Rittal werde seiner Spürnase nach zu Gunsten des MittelstandsWiki handeln.
Montag, 18. Mai, 9:31 Uhr: just 4 business bittet per E-Mail an Joerg Heidrich, den Justiziar der Heise Medien GmbH & Co. KG um seine Meinung zur Abmahnung (Heise ist Gesellschafter von just 4 business).
Montag, 18. Mai, 9:53 Uhr: Der Justiziar antwortet, dass er die Abmahnung „eher für nicht berechtigt“ hält, schlägt aber vor, „das Bild trotzdem offline zu nehmen und vorsichtshalber eine (angepasste) Unterlassungserklärung abzugeben“.
Dienstag, 19. Mai, 14:39 Uhr: just 4 business fragt per E-Mail an Rittal, ob es etwas Neues gibt. Es erfolgt keine direkte Antwort.
Dienstag, 19. Mai, 15:21 Uhr: Eine Rechtsanwältin von Phoenix Contact, eine der drei Quellen der Pressemitteilung mit dem abgemahnten Bild, schreibt per E-Mail, dass die „verteilte Abbildung … der Firmen Rittal, Eplan und Phoenix Contact nicht wie in der Abmahnung behauptet auf einem Entwurf von Blackeight basiert, sondern auf einem Messekonzept der Firma studio kvl GmbH & Co. KG in Berlin, die … mit der Konzeptionierung des Messestandes beauftragt wurde“.
Dienstag, 19. Mai, 17:20 Uhr: just 4 business fragt den Justiziar von Heise per E-Mail, ob die E-Mail von Phoenix eine gute oder schlechte Nachricht ist. Er antwortet um 21:05 Uhr, dass es sich um eine gute handele.
Donnerstag, 21. Mai, 15:52 Uhr: Der Justiziar von Heise schickt seinen Entwurf einer Antwort zur Prüfung und Freigabe, in der er als Justiziar von just 4 business der Abmahnung von Keller Menz auf etwa zwei Seiten eine Absage erteilt. Als wesentliche Gründe nennt er u.a. den Umstand, dass die Unternehmen Blackeight und just 4 business keine Wettbewerber seien, die Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) begründen würden. Einer Abmahnung auf Basis des Urheberrechts würde er ebenfalls widersprechen, da uns andere Copyright-Informationen vorliegen und „die Darstellung bis heute auf den Presseseiten von Phoenix Contact, Eplan und Rittal bereitgestellt und sogar für Presseorgane zum Download angeboten“ wird. Dazu wertet er die E-Mail von Phoenix zu Ungunsten von Blackeight. Unabhängig davon sei „fragwürdig, ob diese Nachbildung eines Messestands als solche überhaupt geschützt ist“. Der Vollständigkeit halber schließt er Schadensersatzansprüche aus, da es an einem Verschulden unsererseits mangele und fordert die Gegenseite auf, ihrerseits auf die geltend gemachten Ansprüche zu verzichten. 16:03 Uhr erhält der Justiziar die Freigabe.
Freitag, 22. Mai, 16:48 Uhr: Die Anwältin von Keller Menz antwortet per Fax und bleibt bei ihrer „Rechtsauffassung“. Sie listet auf zwei Seiten diverse Paragraphen und Urteile auf, in denen u.a. von „Vorlagenfreibeuterei” die Rede ist. Wenn bis Dienstag, 26. Mai, 16 Uhr keine „Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt”, muss just 4 business mit „gerichtlichen Durchsetzungsmaßnahmen im Eilverfahren rechnen”. Außerdem könne nun alles „als Beweis der vorsätzlichen, rechtswidrigen Weiternutzung … gewertet werden”.
Samstag, 23. Mai: Der Justiziar von Heise und just 4 business empfiehlt, das Bild zu löschen und eine um die Punkte 3 und 4 gekürzte Unterlassungserklärung mit der Anmerkung abzugeben, dass „dies ausdrücklich nur zur Wahrung des Rechtsfriedens dient und insbesondere nicht als Schuldeingeständnis irgendeiner Art zu interpretieren ist“.
Sonntag, 24. Mai, 2:47 Uhr: Phoenix Contact, Rittal und Eplan verbreiten ihre Pressemitteilung mit dem betreffenden Bild auf ihren Websites weiter.
Sonntag, 24. Mai, 20:47 Uhr: just 4 business löscht das Bild im MittelstandsWiki, stellt vorsorglich einen Löschantrag für alle gespeicherten Auflösungen bei Google und sendet die Unterlassungserklärung mit Anmerkung vorab per Fax an Keller Menz.
Montag, 1. Juni: Das MittelstandsWiki beauftragt den unabhängigen Journalisten Michael Praschma mit weiteren Recherchen für einen redaktionellen Beitrag zur jüngsten Abmahnung.
Dienstag, 2. Juni, 18:15 Uhr: Der Journalist notiert per E-Mail, dass er mit einer Informantin gesprochen habe, die sagt, dass der Fall seitens Rittal völlig klar liege. Die Rechte lägen der Quelle zufolge bei den drei Firmen, und was Blackeight behauptet, stimme nicht. Die Urheber der Pressemitteilungen seien von Blackeight bislang nicht abgemahnt worden. Für weitere Details wurde er an eine Rechtsanwältin von Phoenix Contact verwiesen. Blackeight wolle sich während der laufenden rechtlichen Auseinandersetzung zu der Angelegenheit in keiner Weise äußern – vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Der Geschäftsführer wolle auch keine Aussage dazu machen, ob jemand, der guten Glaubens die Presseinformation von Rittal publiziert, „unschuldig“ abgemahnt wird, zumal der Download mit dem Copyright von Rittal nach wie vor möglich ist. Es seien allerdings weitere Abmahnungen in solchen Fällen „denkbar“.
Mittwoch, 3. Juni, 14:03 Uhr: Der Journalist informiert per E-Mail, dass er u.a. herausgefunden habe, dass Blackeight und studio kvl bei Rittal, Eplan und Phoenix Contact für den Messestand „gepitcht“ hätten. Dabei soll kvl gewonnen haben. Den dreien liege der unterlegene Entwurf von Blackeight vor, der mit dem fraglichen Bild nichts zu tun hätte. Außer dem MittelstandsWiki seien vier weitere Verlage abgemahnt worden. Die Versender der Pressemitteilung hätten jedoch von Keller Menz bis heute keine Abmahnung erhalten. Deshalb — und weil sie sich als Rechteinhaber sehen — stünde die Presseinformation mit Bild auch weiterhin zum Download bereit. Blackeight sei hingegen vor knapp zwei Wochen schriftlich aufgefordert worden, solche Abmahnungen zu unterlassen und die versendeten zurückzuziehen.
Dienstag, 9. Juni: Das MittelstandsWiki veröffentlicht den Beitrag Fragwürdige Abmahnung mit dem jüngsten Stand der Dinge und weiteren Recherchen sowie potenziellen Folgen für kleine und mittlere Unternehmen, Blogger und Publizisten.
Donnerstag, 11. Juni: Das MittelstandsWiki veröffentlicht den Beitrag Pressebild kostet bei Abdruck 745,40 Euro.
Dienstag, 30. Juni: Das MittelstandsWiki veröffentlicht den Beitrag Pressematerial zum Download mit Antworten auf die Frage, worauf Unternehmen und Agenturen unbedingt achten müssen, damit Redaktionen ihre Pressemitteilungen schadlos verwerten können.
Donnerstag, 2. Juli: Das MitteltsandsWiki veröffentlicht den Beitrag Auf Rechteverletzung reagieren mit einer Kolumne des Journalisten Michael J.M. Lang, warum Streitfragen unter Unternehmen unbedingt Chefsache sein sollten, bevor sie (unbesehen) beim Hausjuristen landen.
Montag, 6. Juli: Das MittelstandsWiki veröffentlicht den Beitrag Blindlings abmahnen tut dem Geschäft weh.
Freitag, 10. Juli: Alle drei Quellen – Rittal, Phoenix Contact und Eplan – verbreiten das abgemahnte Bild zur Pressemitteilung auf ihren Websites weiter. Das MittelstandsWiki beauftragt Journalisten mit zusätzlichen Recherchen und zieht eine Anzeige gegen die Urheber der Abmahnung in Erwägung. Fortsetzung folgt.