Wie Telekommunikation sich verändert hat

Einige Dinosaurier unter unter uns werden sich erinnern: Vor ziemlich genau 21 Jahren freuten wir uns auf die unmittelbar bevorstehende Einführung des sogenannten D-Netzes als digitale Alternative zum analogen C-Netz. Manche Autofahrer schwärmten sogar noch vom unbezahlbaren B-Netz.

Das bewegt mich bis heute, weil Telefonate damals in den Osten und umgekehrt ein Krampf waren. Der Fall der Mauer war kaum zwei Jahre her. Bezahlbare Telefone ohne amtliche Zulassung aber mit automatischer Wahlwiederholung musste man im Import-/Export-Laden beim Türken kaufen. Das war legal. Doch der Anschluss ans öffentliche Telefonnetz eben nicht. Nur mit diesen Geräten war es jedoch möglich, den oft stundenlangen Wahlvorgang allein dem „intelligenten“ Telefon zu überlassen, während man mit einem halben Ohr hinhörend Wichtigeres tun konnte, bis die Verbindung endlich stand.

Aus solchen und ähnlichen Gründen interessierte ich mich als Redakteur einer längst ausgestorbenen Computerzeitschrift für längst überfällige neue Zeiten, die mit Einführung des digitalen Mobilfunks und Zulassung von Konkurrenz auf uns zukommen würden. Die Begeisterung war so stark, dass wir unseren Verlag für eine Beilage begeistern konnten, in der es nur um das eine ging: Kommunizieren ohne Grenzen.

Um möglichst zeitnah an einen sogenannten Motorola-„Knochen“ oder einen wie eine Umhängetasche tragbaren „Ziegelstein“ von Siemens zum Test zu kommen, musste man noch persönliche Beziehungen zu Fachhändlern pflegen, bei denen man das eine oder andere Gerät tatsächlich kaufte, bevor man darüber schreiben konnte. Mit solchen Teilen auf die Wiesn zu gehen – so heißt das Oktoberfest in Bayern –, war ein Abenteuer, bei dem es nur darum ging, ob das Netz überhaupt funktionierte. Von der Allgemeinheit akzeptierte Gründe zum Telefonieren oder gar besser, mobiler, komplexer vernetzt zu sein, gab es jedenfalls keine. Diese Zeiten haben sich gründlich geändert:

Seit Telefongespräche paketvermittelt funktionieren, wünschen sich die Wirtschaft und ihre Mitarbeiter in digital vernetzten Haushalten umfassende Lösungen, die alle Kommunikationskanäle auf eine IP-Plattform holen. Roland Freist – einer unserer Autoren von damals und heute – berichtet in dieser Beilage 21 Jahre später vom aktuellen Stand der Entwicklung, die Unified-Communications-Systeme an den Rand maximaler Vernetzung rückt (Seite 6). Er hält fest, was eine fähige Lösung heutzutage tatsächlich können muss. Jan Schumacher skizziert anschließend die optimale Architektur einer Telefonanlage, die durch die Cloud vermitteln soll (Seite 8). Die Frage nach der IT-Sicherheit muss bei Collaboration durch die Wolke gleichfalls neu beantwortet werden; Mathias Widler schlägt hierfür das Architekturmodell eines Direkt-to-Cloud-Netzwerks vor (Seite 16).

Am meisten verspricht man sich im Mobilfunk momentan von Long Term Evolution (LTE). Über stationäre Router lassen sich damit entfernte Standorte ans Netz bringen. Warum die Geräte aber unbedingt einen niedrigeren Fallback-Kanal für Ausfälle brauchen, schreibt Dr. Harald B. Karcher – noch ein Autor aus alten Zeiten – ab Seite 12. Allerdings sind selbst neue Geräte sehr unterschiedlich für den neuen Standard gerüstet, was weniger an der Technik, sondern an unterschiedlichen Vertriebskanälen liegt (Seite 18). Dabei wecken gerade die neuen Mobile-Formfaktoren das Interesse von Unternehmen: Aus Notebooks und Tablets kombinieren die Hersteller jetzt Convertibles und Detachables (Seite 20). Ob und wie der Datenfunkverkehr in der Praxis funktioniert, hat der Communications-Spezialist schließlich im Härtetest auf dem Münchener Oktoberfest 2013 ausprobiert (Seite 22): Dort müssen im Unterschied zum Herbst 1992 innerhalb weniger Tage bis zu 6 Millionen Menschen mit Handys, Smartphones und Tablets auf der Festwiese versorgt werden, was nicht nur im Rückblick auf die letzten 21 Jahre eine logistische Meisterleistung ist.

Quelle: Kommunikation und Netze in iX 12/2013

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Matomo